Sozialistische
Wochenzeitung -
Zeitung der DKP
www.unsere-zeit.de
Spielräume
Bei ver.di wird die
Tarifrunde des öf¬
fentlichen Dienstes
diskutiert.
Seite 2
Frühe Wende der „Groko“
Der „Fall Edathy“ ist eigentli¬
cher keiner, aber er verändert
die Große Koalition mitten im
Honigmond.
Seite 5
1914 und die Mauer
Ludwig Elm über Jahres¬
tage, die deutsche Rechte
und Geschichts-Gauck-
lertum.
Seite io
28. Februar 2014 - Nr. 9 - 46. Jahrgang
PVSt K 4956 D - Entgelt bezahlt
Staatsstreich in der Ukraine
Deutsche Politiker und Medien bejubeln Vertragsbruch
A m Freitag vergangener Woche
hat Präsident Janukowitsch un¬
ter dem massiven Druck der
Außenminister Deutschlands, Frank¬
reichs und Polens ein Abkommen mit
den Führern der Pro-EU-Opposition,
Jazenjuk, Klitschko und Tjagnibok
über die Regelung der politischen
Krise im Land unterzeichnet. Als Ga¬
ranten für die Einhaltung des Abkom¬
mens signierten die genannten Außen¬
minister.
Die wesentlichsten Punkte dieses Do¬
kuments sahen vor, die Verfassung
von 2004 wieder einzuführen, die die
Vollmachten des Präsidenten zuguns¬
ten des Parlaments reduziert, inner¬
halb von zehn Tagen eine „Regierung
der Volkseinheit“ zu bilden, nach An¬
nahme der Verfassung von 2004 bis
Dezember vorgezogene Präsidenten¬
wahlen abzuhalten und innerhalb von
24 Stunden nach Annahme der neu¬
en Verfassung die illegalen Waffen bei
den Organen des Innenministeriums
abzugeben.
Wie ist diese fast vollständige Ka¬
pitulation des Präsidenten vor dem
Druck der westlichen Außenminis¬
ter zu erklären? Hatten doch in den
vergangenen Monaten viele hochge¬
stellte westliche Politiker die Protes¬
tierenden auf dem Maidan zur Ver¬
schärfung ihrer Aktionen aufgehetzt
und sich zugleich bei Janukowitsch die
Klinke in die Hand gegeben und ver¬
langt, die Forderungen der Protestler
zu erfüllen. Auf die Politik des Präsi¬
denten hat das nur wenig Einfluss ge¬
habt. Des Rätsels Lösung dürfte darin
liegen, dass die Außenminister-Troika
diesmal Waffen mit sich führte, die auf
seine Basis, d.h. auf diejenigen Olig¬
archen gerichtet waren, die ihn stütz¬
ten und deren Interessen er vertritt.
Es geht um den Beschluss der EU, die
Konten dieser Leute zu sperren, auf
denen sie die aus dem ukrainischen
Volk herausgepressten Reichtümer
in den EU-Ländern angelegt haben
und ihnen die Einreise in die EU zu
verwehren. Die Drohung hat gesessen,
der Druck der Oligarchen auf Januko¬
witsch wuchs, er kapitulierte.
Patrik Köbele: „ Ganz offensicht¬
lich hat Steinmeier hier ein gutes
Stück Oststrategie des deutschen
Imperialismus umgesetzt. Da¬
bei nutzt man die Unzufrieden¬
heit von Menschen und hat kein
Problem mit einem Bündnis mit
Faschisten. Es geht um die Ein¬
kreisung von Russland und den
Einfluss von Brüssel, Berlin und
Washington auf die Ukraine.
Braune Horden, die Juden und
Kommunisten jagen, antifaschis¬
tische Denkmäler und Leninsta¬
tuen schleifen - sind das Kollate-
ralschäden oder nimmt man das
gerne mit? Höchste Zeit für Akti¬
onen der Solidarität mit den Anti¬
faschisten in der Ukraine. Wer da
jetzt nicht klar Farbe bekennt, der
macht das Geschäft der Reaktion.“
Genützt hat es ihm nichts. Als Klitsch-
ko und seine beiden Mitunterzeich¬
ner des Abkommens dessen Inhalt
auf dem Maidan bekannt gaben, auf
dem inzwischen die bewaffneten Fa¬
schisten des „rechten Sektors“ und
ähnliche den Ton angaben, wurden
sie ausgepfiffen. Die Ultraradika-
len verlangten den sofortigen Rück¬
tritt des Präsidenten und kündigten
an, sonst die Präsidialverwaltung zu
stürmen.
Unter diesem Druck mobilisierten
Klitschko und seine beiden Kompli¬
zen ihre Parlamentsfraktionen in der
Rada. Mit Unterstützung von Teilen
der Fraktion der Partei der Regionen
und mit dieser verbündeten Abge¬
ordneten, die wie Ratten das sinken¬
de Schiff verließen, wurden die For¬
derungen der Faschisten erfüllt. Die
Parlamentsmehrheit beschloss die Ab¬
setzung des gewählten Präsidenten,
setzte einen vorläufigen Präsidenten
ein, beschloss die Rückkehr zur Ver¬
fassung von 2004, wählte eine „Re¬
gierung der nationalen Versöhnung“,
die das Gegenteil davon ist, setzte
vorgezogene Präsidentenwahlen be¬
reits für den Mai an und beschloss die
Freilassung Timoschenkos aus der
Haft. Alle diese Gesetze sind verfas¬
sungswidrig, dies allein schon deshalb,
weil nach der gültigen Verfassung alle
vom Parlament beschlossenen Geset¬
ze vom verfassungsgemäß gewählten
Präsidenten unterschrieben werden
müssen, um in Kraft zu treten. Eine
Absetzung des Präsidenten durch das
Parlament darf zudem nur das Ergeb¬
nis eines komplizierten, längere Zeit
erfordernden Amtsenthebungsverfah¬
rens sein.
Was im ukrainischen Parlament pas¬
siert ist, ist nichts anderes als ein
Staatsstreich. Das kümmert allerdings
Washington, Brüssel und Berlin, die
ansonsten so gern von den Werten der
bürgerlichen Demokratie schwafeln,
ganz und gar nicht. Vielmehr haben sie
den Putschisten als Dank für den Ver¬
fassungsbruch sofort finanzielle Hil¬
fen versprochen.
Und die drei Außenminister, die mit
ihrer Unterschrift unter das Abkom¬
men zwischen Präsident und Opposi¬
tion die Verpflichtung übernommen
haben, dessen Umsetzung zu garan¬
tieren, verhalten sich nach der De¬
vise, was kümmert mich meine Un¬
terschrift von gestern. War doch die
Tinte ihrer Signaturen unter das Ab¬
kommen noch nicht trocken, als die¬
ses von Klitschko und seinen beiden
Komplizen bereits gebrochen wurde.
Von Protesten Steinmeiers und sei¬
ner Kollegen ist nichts zu vernehmen.
Muss man da nicht vermuten, dass das
Ganze von ihrer Seite und ihren drei
ukrainischen Spielern nur ein abge¬
kartetes Spiel war? Mit Blick auf den
deutschen Außenminister Steinmeier
kann man nur feststellen, dass er den
vielen Beispielen des Vertragsbruchs
in der Geschichte des deutschen Im¬
perialismus nun ein weiteres hinzuge¬
fügt hat.
Fortsetzung auf Seite 6
Thema der Woche
Bundeswehr
in aller Welt
Die Bundeswehr wirbt auf ihrer Sei¬
ten www.bundeswehr.einsatz.de oder
auch www.marine.de für ihre Einsätze
in aller Welt.
Diese konzentrieren sich derzeit vor
allem auf Afrika. Oft im Rahmen einer
UNO- oder „EU“-Mission unter dem
Label „humanitäre Hilfe“, häufig unter
dem der „Partnership“, also der Aus¬
bildung von Polizei und Militär oder
des „Anti-Terror-Kampfes“.
Doch man will künftig nicht mehr nur
„Geleitzug“ sein oder Unterstützung
für andere geben, sondern verstärkt
eigene Interessen verfolgen (siehe UZ
vom 21. Februar, Seite 1). Schließlich
geht es unter anderem um politischen
und wirtschaftlichen Einfluss, vor al¬
lem aber um die Sicherung des Zu¬
griffs auf seltene bzw. knapper wer¬
dende wichtige Rohstoffe.
Seite 9
Spenden für unser Fest
DKP Parteivorstand,
Konto-Nr.: 4002 487 501
GLS Bank Bochum,
BLZ 430 609 67
Stichwort: „UZ-Pressefest“
Aus dem kleinen
Anstandsbuch
Karenzzeit
Politiker, die auf die Welt gekommen
sind, um während oder nach ihrer
Amtszeit in die freie Marktwirtschaft
zu wechseln, müssen eine sogenannte
Karenzzeit absolvieren.
Dies ist eine Zeit des ruhigen und be¬
schaulichen Abschiednehmens in der
Öffentlichkeit von einer verantwort¬
lichen Position als Honoratior und
Staatenlenker. Während der Karenzzeit
trägt der Abschied nehmende Politiker
daher einen dunklen Anzug und macht
eine sorgenvolle und ernste Miene.
Er wirkt stets nachdenklich und zer¬
streut. Bei allen öffentlichen Anlässen,
zum Beispiel bei dem Besuch eines Pis¬
soirs, bedauert er den Wechsel in die
sogenannte freie Wirtschaft, für den er
sich nun opfert. Gelegentlich wischt er
bei solchen Äußerungen eine Träne aus
dem Gesicht.
Er redet ungern über sein künftiges
karges Managergehalt und blickt mit
Wehmut zurück auf seine Diäten als
Abgeordneter. Gegenüber der Presse
gibt er erstmals zu, dass er künftig in
der Innenstadt nachts heimlich Pfand¬
flaschen sammeln muss. Er darf die
eingesammelten Flaschen allerdings
wenigstens mit seinem Chauffeur im
Dienstwagen nach Hause transportie¬
ren.
Der Abschiednehmende legt vielleicht
auch ein Kondolenzbuch aus und gibt
damit seinen Wählern die letzte Mög¬
lichkeit, ihm einige nette Worte der
Anerkennung für seine unverzichtba¬
re Arbeit als Politiker auf den Weg zu
geben. Er freut sich dann über Men¬
schen, die ihm mit einem liebevollen
Händedruck versichern, dass er ihre
ganze Bewunderung hat, weil er das
große Opfer auf sich nimmt, künftig
nur noch Wirtschaftsmagnat zu sein.
Die Dauer der Karenzzeit bemisst sich
übrigens einzig und allein nach den
ersten Terminen seiner Verpflichtun¬
gen bei dem neuen Unternehmen. Zu
seinen ersten Auftritten gehören sicher
die Vorstellung im Aufsichtsrat und die
Begrüßung im Golfclub.
Mit einer Kranzniederlegung anläss¬
lich der endgültigen Beerdigung sei¬
nes Gewissens endet die Karenzzeit
und ein neuer Lebensabschnitt beginnt.
Werner Lutz (www.einheiztext.de)
2 Freitag, 28. Februar 2014
Wirtschaft und Soziales
unsere zeit CE
Streikrecht verteidigen!
Die Spalter fordern eine Tarifeinheit
Am 4. Juni 2010 haben der Präsident
der Bundesvereinigung der Deut¬
schen Arbeitgeberverbände (BDA),
Dieter Hundt, und der Vorsitzende
des DGB, Michael Sommer, auf einer
Pressekonferenz eine gemeinsame In¬
itiative vorgestellt, die so genannte
Tarifeinheit gesetzlich zu regeln. Sie
fordern - durch eine Änderung des
Tarifvertragsgesetzes - künftig gesetz¬
lich vorzuschreiben, dass für gleich¬
artige Arbeitsverhältnisse in einem
Unternehmen nur ein einziger Tarif¬
vertrag zur Anwendung kommen darf.
Im Falle von mehreren Tarifverträgen
soll dann derjenige Tarifvertrag, den
die Gewerkschaft mit den meisten
Mitgliedern im Unternehmen abge¬
schlossen hat, alle anderen verdrän¬
gen. Darüber hinaus soll die sich aus
dem vorrangigen Tarifvertrag ergeben¬
de Friedenspflicht, während der nicht
gestreikt werden darf, für alle Beschäf¬
tigten auch dann gelten, wenn sie der
Gewerkschaft, die den Vertrag abge¬
schlossen hat, gar nicht angehören. So¬
weit der Vorschlag dieser Initiative.
Olaf Harms
Diese Initiative läuft nicht nur auf eine
erhebliche Einschränkung des Streik¬
rechts hinaus, sondern auf ein gesetz¬
liches Streikverbot für die Beschäftig¬
ten, die nicht unter den vorrangigen
Tarifvertrag fallen. Damit wird das in
Art. 9 des Grundgesetzes verbriefte
Grundrecht der Gewerkschaften auf
Koalitionsfreiheit eingeschränkt. Das
ist verfassungswidrig. Wenn eine Kon¬
kurrenzorganisation einen Tarifver¬
trag mit den Unternehmern abschließt,
dann dürfen Gewerkschaftsmitglieder
nicht zwangsweise durch Gesetz an
diesen Tarifvertrag und dessen Frie¬
denspflichten gebunden werden. Ta¬
rifautonomie bedeutet, dass Gewerk¬
schaftsmitglieder nur an Tarifverträge
gebunden sind, die ihre Gewerkschaft
abschließt. Selbst wenn eine Konkur¬
renzorganisation die Mehrheit der
Mitglieder in einem Betrieb hat, muss
es den Gewerkschaftsmitgliedern mög¬
lich bleiben, bessere Tarifverträge mit
Kampfmaßnahmen und Streik durch¬
zusetzen - und so die Mitglieder der
Konkurrenzorganisation davon zu
überzeugen, dass ihre Interessen mit
der Gewerkschaft besser durchgesetzt
werden können.
Wer in Zeiten der kapitalistischen Krise
eine Regierung auffordert, das in über
60 Jahren seines unveränderten Be¬
stehens bewährte Tarifvertragsgesetz
zu ändern - womöglich noch verbun¬
den mit einer Grundgesetzänderung
zur Einschränkung des Grundrechts
auf Streik - liefert die Tarifautonomie
auch künftig allen politischen Begehr¬
lichkeiten der Unternehmer und ihrer
politischen Parteien aus. Es ist, bei al¬
ler praktizierten Tarifpartnerschaft, ein
elementarer Verstoß gegen die gesam¬
te Geschichte, Politik und Kultur der
Gewerkschaftsbewegung, sich mit Ar¬
beitgeberorganisationen über die Aus¬
gestaltung des Streikrechts zu verstän¬
digen und hierzu gemeinsam Gesetzes¬
initiativen von der Politik zu fordern.
Das Streikrecht ist das wichtigste
Grundrecht von Beschäftigten. Ohne
das Recht auf Streik können Gewerk¬
schaftsmitglieder ihre Interessen nicht
durchsetzen. Ohne Streikrecht gibt es
keine Tarifautonomie. Tarifverhand¬
lungen würden verkommen zu kollek¬
tivem Betteln.
Bereits auf der gewerkschafts-theoreti¬
schen Konferenz am 19. Oktober 2013
sahen wir die Gefahr, dass eine kom¬
mende Bundesregierung dieses The¬
ma aufgreifen wird. Und so ist es auch
gekommen. Die große Koalition sorgt
sich um die Tarifeinheit - angeblich,
„um den Koalitions- und Tarifpluralis¬
mus in geordnete Bahnen zu lenken“.
Es war vor allem das Kapital, was diese
Einheit durchbrach, indem es mit ka¬
pitalnahen Pseudo-Gewerkschaften
Dumpingverträge abschloss oder Tei¬
le der Belegschaft abspaltete und in
Tochterfirmen mit schlechteren Tarifen
verlagerte. Oder es stieg gleich ganz
aus dem Tarifvertrag aus, was zu einer
erheblichen Erosion des Flächenta¬
rifvertrages führte. Ausgerechnet das
Kapital, auf dessen Konto die Zer¬
splitterung der Tariflandschaft geht,
forderte nun die Tarifeinheit. Und die
schwarz-rote Koalition erfüllte ihm
diesen Wunsch.
Es handelt sich bei dem Angriff auf
das Streikrecht und die Tarifautono¬
mie letztlich um den Angriff auf die
Einheitsgewerkschaft. Diese müssen
wir gegen alle Angriffe von Kapital
und Politik unbedingt und mit allen
Mitteln verteidigen. Dazu gehört der
Kampf gegen eine gesetzliche Rege¬
lung zur Tarifeinheit. Olaf Harms
Auszug aus seinem Referat im Parteivorstand
der DKP am 25. Januar 2014
3 500 Stellen bei der
Barmer GEK bedroht
Kolleginnen erfuhren durch die Presse
von Kahlschlagsplänen
Die Barmer GEK, derzeit die zweit¬
größte deutsche Krankenkasse, will
umfassend umstrukturieren. Laut Vor¬
standsvorsitzendem Christoph Straub
ist mittelfristig die Streichung von ins¬
gesamt 3 500 Stellen geplant. Noch
hat die Kasse etwa 15 000 Beschäftig¬
te. Die Zahl der Geschäftsstellen soll
halbiert werden, von derzeit rund 800
auf ca. 400.
Künftig werde die Kasse stattdessen
in Telefon- und Onlineservices inves¬
tieren. Die Umstrukturierung wird
mit den in den kommenden Jahren
zu erwartenden Kostensteigerungen
im Gesundheitswesen begründet. Der
Stellenabbau soll „in enger Abstim¬
mung mit der Personalvertretung so¬
zialverträglich umgesetzt“ werden.
Im „ARD-Morgenmagazin“ vermied
Straub aber die Antwort auf die Fra¬
ge nach betriebsbedingten Kündi¬
gungen. „Es ist kein Sparprogramm“,
sagte dort der Chef der Krankenkas¬
se, die ihre Hauptverwaltung in Wup¬
pertal hat. Es gehe darum, das Unter¬
nehmen im Interesse der Kunden zu
verändern.
„Wenn tatsächlich ein sozialverträgli¬
cher Umbau gewollt ist, geht das nur
mit enger Einbindung der Beschäf¬
tigten und ihrer Vertreter. Ein Tarif¬
vertrag zur Reorganisation und zur
Vermeidung betriebsbedingter Kün¬
digungen ist deshalb unverzichtbar“,
sagte ver.di-Bundesvorstandsmitglied
Isolde Kunkel-Weber.
Sie forderte umgehend die Aufnahme
von Tarifverhandlungen zum Schutz
der Beschäftigten und zur Vermeidung
betriebsbedingter Kündigungen. „Es
darf keinen Kahlschlag zu Lasten der
Versicherten und der Beschäftigten
geben“, so Kunkel-Weber. Sie sei ent¬
täuscht, dass die Beschäftigten von den
Umbauplänen zuerst aus den Medien
erfahren hatten. „Das ist ein Umgang,
wie ihn die vielen langjährigen Mitar¬
beiterinnen und Mitarbeiter nicht ver¬
dient haben“, kritisierte die Gewerk¬
schafterin.
-ler
Verteilungsspielraum ist da
Zur Debatte um die Tarifforderung im öffentlichen Dienst
München, 12. Februar. Kolleginnen des öffentlichen Dienstes verleihen ihren Tarifforderungen Nachdruck: Roter Teppich
nicht für die Stars der Leinwand, sondern für die heimlichen Stars, Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die täglich
das Leben der Millionen in München organisieren. Beteiligt waren Kolleginnen und Kollegen aus dem Krankenhaus, der
Straßenreinigung, der Müllabfuhr, dem Klärwerk, der Bestattung, der Verwaltung, aber auch aus der sozialen Arbeit.
D ie Forderung für die Tarifrunde
im öffentlichen Dienst des Bun¬
des und der Kommunen sieht im
Kern einen Sockelbetrag von 100 Euro
plus einer linearen Erhöhung der Ge¬
hälter von 3,5 Prozent vor. Im Volumen
liegt sie damit vor allem für die unteren
Einkommensgruppen über der Forde¬
rung anderer Bereiche. Nicht jede(r)
kennt das Tarifgefüge im Öffentlichen
Dienst, weshalb hier als Beispiele Mo¬
natseinkommen von 2 000 bzw. 4 000
Euro dienen sollen. Da liegt die For¬
derung dann zwischen 7,5 Prozent und
immerhin noch 6 Prozent, für die nied¬
rigsten Lohngruppen errechnet sich so¬
gar eine angestrebte Erhöhung von 10
Prozent.
Nach der Enttäuschung 2012 über das
Fehlen einer sozialen Komponente
kommt das Wollen gerade jener Teile
der Mitgliedschaft mehr zum Tragen,
die als Krankenpfleger, Busfahrerin,
Müllwerker oder Erzieherin mit ih¬
ren Nettolöhnen oft nicht weit über
den Pfändungsfreibeträgen liegen.
Die Forderung widerspiegelt auch die
Diskussion im ver.di-Mitgliedernetz,
selbst wenn sie nicht repräsentativ sein
mag, dennoch aber Tendenzen auf¬
zeigt. Deshalb wird die Forderung in
der kommenden Auseinandersetzung
zur Mobilisierung der Beschäftigten
beitragen.
Dass eine richtige Forderung zuweilen
mit bedenklichen Argumenten unter¬
stützt wird, macht sie nicht falsch, gibt
aber Anlass zu einer kritischen Be¬
trachtung. Viele Kolleginnen und Kol¬
legen beklagen, dass mit reinen Pro¬
zentforderungen die Schere zwischen
„oben und unten“ weiter auseinander
ginge. Die unterschiedlichen Auswir¬
kungen linearer Erhöhungen auf die
Nettolöhne und damit auf die Kauf¬
kraft seien hier ohne detaillierte Be¬
trachtung nur erwähnt. Wichtiger ist
doch die Frage, ob in einer kapitalis¬
tischen Gesellschaft, in der sich in den
Händen weniger Prozent der Bevölke¬
rung jährlich 90 Prozent des gesamten
Vermögenszuwachses akkumulieren,
die Zuordnung von oben und unten
an 4 000 bzw. 2 000 Euro Bruttolohn
festgemacht werden darf. Ist es nicht
so, dass da auch die Beschäftigten mit
4 000 Euro „unten“ sind, dass auch
sie eine kräftige Lohnerhöhung nötig
und verdient haben? Wenn es um das
Durchsetzen gemeinsamer Forderun¬
gen geht, werden auch diese Kollegin¬
nen und Kollegen gebraucht, sitzen sie
im selben Boot, auch wenn ihr Sitz viel¬
leicht nicht ganz so hart sein mag wie
der anderer.
Eine andere Argumentation geht da¬
von aus, dass nur ein bestimmter Be¬
trag für Lohnerhöhungen zur Verfü¬
gung stehe und der eben „gerecht“
aufgeteilt werden müsse. Da kommt
dann oft der „verteilungsneutrale
Spielraum“ ins Gespräch, die Summe
von gesamtgesellschaftlicher Produkti¬
vitätssteigerung und der Inflationsrate.
Das ist doppelt falsch. Zum einen er¬
gibt sich da allenfalls ein Punkt. Alles,
was an Abschlüssen darunter liegt, ist
nicht verteilungsneutral, sondern führt
zu weiterer Umverteilung von unten
noch oben. Zum anderen ist objektiv
genug Verteilungsspielraum da, solan¬
ge selbst in der Krise die Reichen um
200 bis 300 Milliarden jährlich reicher
werden.
Zahlt ein Konzern Milliardendividen-
den, ist für alle sichtbar, dass da noch
viel Verteilungsspielraum ist. Beim Öf¬
fentlichen Dienst werden dann immer
die leeren Kassen bemüht. Und spätes¬
tens da wird es dann für alle erkennbar
hoch politisch. Wenn Verhandlungs¬
führer mit CDU- und SPD-Parteibuch
in der Tasche da ihr Klagelied anstim-
men, seien sie daran zu erinnern, wer
denn mit seinen Steuergeschenken für
Millionäre und Milliardäre und Absi¬
chern von deren Vermögen via „Ban¬
kenrettung“ diese Situation verschul¬
det hat. Und hier muss auch die So¬
lidarität aus anderen Tarifbereichen
einsetzen. Nicht nur weil es die Kol¬
leginnen und Kollegen verdient ha¬
ben, mit ihren Löhnen über die Run¬
den kommen zu können. Auch wir alle
haben es verdient, im Alter von mo¬
tivierten und qualifizierten Menschen
gepflegt zu werden bzw. dass unse¬
re Kinder eben solche Erzieher oder
Lehrerinnen haben und vieles mehr. In
Tarifrunden des Öffentlichen Dienstes
demonstriert die Unternehmensseite
eben nicht nur, was ihnen ihre Beschäf¬
tigten wert sind, sondern auch was ih¬
nen das Gros der Bevölkerung wert ist,
die auf eine funktionierende umfassen¬
de öffentliche Daseinsvorsorge ange¬
wiesen ist. Volker Metzroth
Frauentag? Hängen wir noch ein paar dran!
„Ich bekomme hautnah mit, wo Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer der Schuh drückt“, behauptet die Bundes¬
tagsabgeordnete der SPD aus meinem Wahlkreis. Das hat
sie nicht davon abgehalten, sich bei der Diätenerhöhung
im Bundestag selbst einen großen Schluck aus der Pulle
zu genehmigen - Hand in Hand mit ihrem Wahlkreiskol¬
legen von der CSU. Die große Koalition entfaltet ihre
Wirkung, 9 082 Euro sind für manche ein überzeugendes
Argument.
Mit diesem Monatseinkommen werden die aktuellen Preis¬
erhöhungen bei Miete, Strom, Benzin und Lebensmitteln si¬
cher zu verkraften sein. Mich drückt allerdings mehr als der
Schuh, wenn ich vor dem Kühlregal auf dem Preisschild für
die Butter einen um 40 Prozent (!) höheren Preis entdecke
als letzte Woche. Nur so als Beispiel.
Alle Preise klettern, nur die Löhne nicht? Das wenigstens
wäre der Wunsch von Innenminister de Maiziere, der die
Forderungen von ver.di für die Beschäftigten beim Bund
und in den Kommunen für „maßlos überzogen“ hält. Da
versteht sich von selbst, dass die Kolleginnen und Kol¬
legen im Öffentlichen Dienst unser aller Solidarität be¬
nötigen, um gegen diese asoziale Abzockermentalität im
„Berliner Selbstbedienungsladen“ ein Lohnplus durch¬
zusetzen.
Aus zwei Gründen könnte die Tarifrunde im Öffentlichen
Dienst dieses Jahr sogar zu einem besonders gelungenen
Jahresauftakt werden. Erstens hat die Tarifkommission der
Gewerkschaft ver.di gute Arbeit geleistet: Die wesentlichen
Erfahrungen der vergangenen Tarifrunde 2012 sind berück¬
sichtigt und bieten die Gewähr für breite Akzeptanz in der
Mitgliedschaft und der Bevölkerung. 30 Tage Urlaub für alle,
die unbefristete Übernahme der Ausgebildeten und insbe¬
sondere der Mindestbetrag von 100 Euro plus 3,5 %, der als
soziale Komponente in den unteren und mittleren Lohn¬
gruppen spürbar werden wird.
Zweitens werden vielerorts erste Aktionen rund um den
Frauentag am 8. März starten. Und ver.di hat starke Kolle¬
ginnen! Die beweisen nicht nur im Einzelhandel bei Schle¬
cker, Kaufhof oder H&M, wie Interessenvertretung geht, die
haben 2009 im KiTa-Streik auch gezeigt, wie in Krisenzeiten
Reallohnsteigerungen erkämpft werden.
Die erste Tarifrunde 2014 wäre eine prima Gelegenheit, an
den 8. März noch ein paar Frauentage dran zu hängen!
Isa Paape
m unsere zeit
Wirtschaft und Soziales
Freitag, 28. Februar 2014
Ohne Klassenkampf keine Sozialwohnungen
Privatisierung darf nicht mit Steuermitteln subventioniert werden
D er Kapitalismus ist unfähig, die
Wohnungsfrage zu lösen. Das
wissen wir spätestens seit En¬
gels 4 Schrift zum Thema aus dem Jahr
1872. Was bedeutet das für eine Gro߬
stadt in Deutschland im Jahr 2014?
In Frankfurt am Main liegt die Wohn¬
raumversorgung - Wohnungen je 100
Haushalte - bei 94,8 Prozent. Das hört
sich viel an, ist es aber nicht: Es müss¬
ten mehr als 30 000 Wohnungen entste¬
hen, um den Wohnraummangel zu mil¬
dern. Pro Jahr stehen aber nur ca. 1700
neue Wohnungen zur Verfügung - mit
sinkender Tendenz. Es würde also mit
diesem Tempo fast 20 Jahre dauern, bis
die Lücke geschlossen wäre. Bis dahin
dürfte aber die Einwohnerzahl wei¬
ter steigen, die 2012 zum ersten Mal
die 700 000-Grenze überschritten hat
und damit um 50 000 Einwohner hö¬
her lag als im Jahr 2000. Während also
die Nachfrage steigt, sinkt das Angebot
und zwar weil und nicht obwohl viel
Kapital in den Immobilienmarkt fließt.
Denn dieses will gewinnbringend an¬
gelegt sein, also in teuren Wohnungen
und eben nicht zur Wohnraumversor¬
gung. Das Ergebnis: Mehr als ein Drit¬
tel der Einwohner von Frankfurt kann
sich nicht ausreichend mit Wohnraum
versorgen.
Zahl der Sozialwohnungen
sinkt drastisch
Es ist auch mehr als ein Drittel der
Haushalte Frankfurts, die über ein
monatliches Nettoeinkommen von
weniger als 1.500 Euro verfügen. Mas¬
sive Reallohnverluste müssten eigent¬
Wohnungs- und mietenpolitische
Konferenz der DKP
Samstag, 22. März,
10.00 Uhr bis 17.00 Uhr
Frankfurt am Main, Haus Gallus,
Seminarraum 3
lieh zu einem drastischen Anstieg der
sozialwohnungsberechtigten Haus¬
halte führen. Diese lagen 2012 aber
„nur 44 bei knapp 8 000. Durch die Ab¬
senkung der Einkommensgrenze, die
zur Registrierung nicht überschritten
werden darf, hält die Stadt die Zahlen
Vor der Einführung elektronischer
Datenverarbeitung fanden die Kolle¬
ginnen und Kollegen während der Ar¬
beitszeit immer wieder die eine oder
andere Nische, in der man ein bisschen
verschnaufen konnte. Zwar waren die
Aufpasser des Unternehmens auch da¬
mals darauf bedacht, die Arbeitszeit
möglichst vollständig zu nutzen. „Der
kontinuierliche Blick über die Schul¬
ter 44 der heute mit moderner Daten¬
verarbeitung möglich ist, gelang aber
damals nicht.
Vor etwa zwei Jahren kumulierte der
Druck, den die Telekom formal über
zugewiesene Arbeitsmengen und in¬
formell über Abpressungsstrategien
der Teamleiter auf die Beschäftigten
zu Leistungssteigerungen ausübte,
fast zur Katastrophe für die Beschäf¬
tigten - und damit auch für die Ge¬
schäftsleitung. Immer mehr Ausfälle
durch Krankheit verbanden sich mit ei¬
ner miesen Stimmung der Belegschaft.
Das Resultat einer damals durchge¬
führten Mitarbeiterbefragung auf ei¬
ner Betriebsversammlung war selbst
für die hartgesottene Vorgesetztenrie¬
ge alarmierend.
niedrig. Die Zahl der zur Verfügung
stehenden Sozialwohnungen ist un¬
ter 30 000 gesunken - von einstmals
mehr als 100 000 Anfang der 90er
Jahre. Wenn die Einkommensgrenze
der 90er Jahre an die Preissteigerun¬
gen angepasst würde, hätten 125 000
Haushalte Anspruch auf Sozialwoh¬
nungen. Es fehlen also 100 000 Sozi¬
alwohnungen.
Diese Zahl will der um ein soziales
Profil bemühte Oberbürgermeister
Peter Feldmann (SPD), dessen Partei
in den 90er Jahren am Abbau des Woh¬
nungsbaus massiv beteiligt war, lieber
nicht nennen. Die städtische ABG
Holding lässt er als Aufsichtsratsvor¬
sitzender weiter Luxuswohnungen und
Prestigeprojekte bauen. Die angekün¬
digte Anhebung des Anteils an Sozial¬
wohnungen bei Neubauprojekten und
Ausweitung des Fonds für geförderten
Wohnraum stellen sich als Farce her¬
aus: Es gehen weiterhin jedes Jahr 700
Sozialwohnungen verloren. Zugleich
setzt die ABG das durch Sparen an der
Substanz und Mieterhöhungen gesam¬
melte Kapital ein, um Großprojekte
für Investoren zu erschließen, wie zu¬
letzt beim Kauf des Geländes des Uni-
Campus, das mit Bürogebäuden und
teuren Wohnungen bebaut werden soll.
Sozialwohnungen müssen gebaut
werden - aber nur wenn sie in öf-
Der brutalste Arbeitsdruck auf die
Beschäftigten, den Teamleiter verur¬
sachten, indem sie sich scheinbar auf
Seiten der Beschäftigten stellten, aber
zugleich Disponenten zu massivem
Druck und Überbuchung gegen die
Beschäftigten anhielten, wurde ein¬
gestellt. Deshalb trat in relativ kurzer
Zeit auch eine gewisse Entspannung
der Lage ein.
2012 wurde zwischen dem Gesamt¬
betriebsrat und der Telekom eine Ge¬
samtbetriebsvereinbarung, „ein Ge¬
sundheitsdialog 44 , zum Arbeits- und
Gesundheitsschutz, vereinbart. Auf
Teamebene wurden sogenannte „Ge¬
sundheitstage 44 durchgeführt, die von
einem Vertreter eines Gesundheitsun¬
ternehmens in Anwesenheit des Team¬
leiters geleitet wurden. Außerdem war
eine Vertreterin der Geschäftsführung
anwesend. Die Ergebnisse wurden
nicht personenbezogen an eine Ar¬
beitsgruppe des Gesamtbetriebsrats
und des Unternehmers weitergereicht.
Diese Situation hat zu einer Art Schwe¬
bezustand geführt. Während der Un¬
ternehmer, umsatzorientiert, die Belas¬
tung wieder nach oben treibt, muss er
fentlicher Hand bleiben und nicht
private Eigentümer mit Steuermit¬
teln subventionieren und außerdem
zu wirklich bezahlbaren Mieten, die
am Einkommen orientiert sind und
nicht an der Quadratmeterzahl. Es
zeigt sich, dass der Kapitalismus un¬
fähig ist, genügend bezahlbare Woh¬
nungen im Sinne der Arbeiterklasse
zu bauen. Er müsste dazu gezwungen
werden. Doch wie?
Kampf ums Teewasser
ist der erste Schritt
Dass der Staat ein Staat der Mono¬
pole ist, gilt auch für seine Präsenz
in der Kommune. Verzierungen wie
Ortsbeirat, Bürgersprechstunde und
angebliche Bürgernähe können über
den undemokratischen Charakter
nicht hinwegtäuschen. Beschlüsse,
die zehntausende Menschen betref¬
fen, werden in Ausschüssen ausge-
klüngelt, die Vertreter der Kommune
verdingen sich gleichzeitig oder vor¬
her und nachher bei Banken, Investo¬
ren oder Planungsbüros. Für das Er¬
kämpfen der demokratischen Forde¬
rung nach mehr Sozialwohnungen ist
die eigenständige, von Einlullung und
Integration in den bürgerlichen Staat
unabhängige Organisierung der Lohn¬
abhängigen nötig. Ohne dies wird es
selbst bei Reformforderungen nur bei
ja zugleich die Gesamtbetriebsverein-
barung einhalten. Das führt gelegent¬
lich dazu, dass sich die Herren Team-
und Abteilungsleiter bei Mitarbei¬
tergesprächen lösungsorientiert und
freundlich geben (wenn der Betriebs¬
rat anwesend ist). Aber informell wird
so mancher Kollege schon mal gefragt,
„ob er es sich nicht einmal überlegen
wolle, lieber in eine andere Abteilung
oder gar den Arbeitgeber zu wech¬
seln, weil er ja wisse, dass es in seiner
Dienststelle so stressig zugehe 44
An einem Beispiel kann man illus¬
trieren, dass mit einer Betriebs Verein¬
barung Klassengegensätze nicht ver¬
söhnt werden können. An einem Ge¬
sundheitstag wurden zwar Bedürfnisse
der Kollegen ermittelt. Aber durch die
Anwesenheit des Teamleiters wurde
das Hauptproblem, die zu hohe Ar¬
beitsmenge und die Arbeitsbedingun¬
gen, nicht thematisiert. Die Leiterin
des Treffens wischte sogar in einem
Nebensatz - „Ich kann den Teamleiter
schon verstehen, weil die Telekom die
hohen Löhne ja bezahlen muss 44 - die¬
sen Ansatz vom Tisch. Selbstverständ¬
lich umschiffte auch der Teamleiter das
Ankündigungen bleiben. Dafür ist das
Aufgreifen des „Kampfes um das Tee¬
wasser 44 der erste Schritt, das Verbin¬
den dieses Kampfes mit der Frage der
Macht im Staate und damit das Schaf¬
fen von Klassenbewusstsein der zwei¬
te und das Organisieren in Initiativen
der Partei oder in der Partei selbst der
dritte. Der Aufbau von dauerhaften
Strukturen, in denen sich Menschen
zusammenschließen, ihre Interessen
erkennen, für ihre Rechte eintreten
und sich dabei keine Illusionen über
die Verhältnisse machen, in denen sie
das tun, bleibt unsere Aufgabe. An¬
satzpunkte können Siedlungen sein,
die aus der Sozialbindung herausfal¬
len oder wo Mieterhöhungen der städ¬
tischen Baugesellschaft geplant sind.
Es ist aber auch möglich, dass andere
Punkte sich als neuralgisch herausstel-
len. Die Verbindung mit der Lohnfra¬
ge sollte immer wesentlicher Bestand¬
teil sein, weil der Verkauf der Ware
Arbeitskraft der „Angelpunkt ist, um
den sich die Ausbeutung des Arbei¬
ters dreht 44 und die Abschaffung der
Miete diese Ausbeutung nicht been¬
den würde, sondern die „Masse der
der Arbeiterklasse abgenommenen
unbezahlten Arbeit genau dieselbe
bliebe 44 (Engels), nur anders unter den
Kapitalisten verteilt werden würde.
Philipp Kissel
Problem und orientierte das anwesen¬
de Team auf Teamfeiern, vorzugswei¬
se außerhalb der Arbeitszeit. Manche
Kollegen meinten gar, die Ursache ih¬
rer Belastung läge darin, dass sie kein
Lob von ihrem Vorgesetzten bekämen.
Was fehlt, ist die Aufklärung und
Diskussion der Belegschaft vor der
Auseinandersetzung mit dem Unter¬
nehmer, damit dann auch Druck aus¬
geübt werden kann. Die Verdi-Be¬
triebsgruppe z.B. sollte in Zukunft in¬
teressierte Kolleginnen und Kollegen
zu Informationsgesprächen einladen
und Bewusstseinsbildungsprozesse an¬
stoßen, der Betriebsrat sollte mit den
betroffenen Kollegen das Gespräch
suchen, damit gemeinsame Wünsche
und Interessen durchdacht und for¬
muliert werden. Den Grundsatz, „nie¬
mals unvorbereitet und vereinzelt mit
dem Unternehmer Gespräche führen 44 ,
sollten wir als goldene Regel beherzi¬
gen. Dafür haben wir ja schließlich Be¬
triebsräte und Gewerkschaften. Ernst
Stadtier
Aus: „Auf Draht“, Betriebszeitung der DKP
München und der Gruppe KAZ
Bundeskongress des DGB
Vom 11. bis zum 16. Mai 2014 findet in
Berlin der 20. Ordentliche DGB-Bun-
deskongress statt. Zum 20. „Parlament
der Arbeit 44 kommen 400 Delegierte
aus den acht Mitgliedsgewerkschaften
des DGB zusammen. Der DGB Bun¬
deskongress ist das oberste Beschluss¬
organ des DGB, Ordentliche Bundes¬
kongresse finden alle vier Jahre statt.
Der Kongress in diesem Jahr steht un¬
ter dem Motto „Arbeit. Gerechtigkeit.
Solidarität. 20. Parlament der Arbeit 44 .
Auf dem Bundeskongress im Mai wäh¬
len die Delegierten einen neuen Ge¬
schäftsführenden DGB-Bundesvor-
stand. Der DGB-Vorsitzende Michael
Sommer wird nach zwölf Jahren an der
Spitze des Bundes der Gewerkschaf¬
ten nicht zur Wiederwahl antreten.
Insgesamt wählen die Delegierten ei¬
nen vierköpfigen Vorstand: Der DGB-
Bundesvorstand hat im Rahmen seiner
Jahresauftaktklausur anfangs des Jahres
2014 offiziell den Personalvorschlag für
den kommenden Geschäftsführenden
DGB-Bundesvorstand (GBV) unter¬
breitet: Reiner Hoffmann wird als Vor¬
sitzender, Elke Hannack als stellvertre¬
tende Vorsitzende sowie Annelie Bun-
tenbach und Stefan Körzell als weitere
Mitglieder des GBV den Delegierten
des Bundeskongresses zur Wahl vorge¬
schlagen. Außerdem werden die Dele¬
gierten wichtige politische Leitlinien
des Bundes der Gewerkschaften für die
kommenden Jahre setzen. Auch zum 20.
Parlament der Arbeit begrüßt der DGB
wieder viele prominente Gäste aus Po¬
litik und Gesellschaft. Am ersten Kon¬
gresstag wird Bundespräsident Joachim
Gauck zu den Delegierten sprechen.
Solidaritätsstreik für
Flächentarifvertrag
Gegen den Angriff auf den Berufs¬
stand der Journalisten und das massi¬
ve Vorgehen der Verleger, die Arbeit
von Redakteuren, Druckern und Ver¬
lagsangestellten weiter zu entwerten,
sind am vergangenen Freitag rund
300 Journalisten, Drucker, Verlagsan¬
gestellte und Mitarbeiter der Druck-
Vorstufe des Stuttgarter Pressehauses
in der Baden-Württembergischen Lan¬
deshauptstadt in den Streik getreten.
Mit dabei waren auch Kolleginnen des
Schwäbischen Tagblatts aus Tübingen
und des Reutlinger Generalanzeigers
sowie rund 35 Streikende des Schwarz¬
wälder Boten aus Oberndorf, die mit
dem Bus angereist waren, um in ei¬
nem Solidaritätsstreik für den Erhalt
des Flächentarifvertrags und eine faire
Bezahlung Flagge zu zeigen. Unter den
Schwabo-Leuten befand sich auch der
einzige streikende Redaktionsleiter.
Zunächst diskutierten die Kolleginnen
im Streiklokal über die Tarifverhand¬
lungen und das „Tarifwerk Zumutung 44
des Bundesverbandes Deutscher Zei¬
tungsverleger (BDZV), das massiv an
den Geldbeutel der Journalisten will.
Die Stimmung war dabei eindeutig,
sollte der BDZV die Vertreter der Ge¬
werkschaften weiter so hinhalten wie
bisher, dann müsse über eine Urab¬
stimmung zumindest in Baden-Würt¬
temberg nachgedacht werden. Tho¬
mas Ducks, Betriebsratsvorsitzender
des Schwarzwälder Boten Schwabo),
betonte, dass die Botschaft nur lauten
könne, für einen anständigen Tarif auf
die Straße zu gehen, keine Angst zu ha¬
ben vor weiteren Arbeitskämpfen und
diese dann auch durchzuhalten: Zur
Motivation der Schwabo-Streikenden
erklärte Ducks: „Wir haben 2011 nicht
96 Tage für einen Anerkennungstarif
gestreikt, um jetzt tatenlos zuzusehen,
wie der Tarifvertrag ausgeweidet wird. 44
15 000 Euro Lohn nachgezahlt
Seit Mai 2013 hat die Gewerkschaft
Nahrung, Genuss und Gaststätten
(NGG) ihren Mitgliedern bei der Bur¬
ger King GmbH bis heute in mehr als
200 Fällen Rechtsschutz gewährt. Hinzu
kommen viele Verfahren, die gegen Be¬
triebsräte eingeleitet wurden. In zehn
abgeschlossenen Kündigungsverfahren
gab es zehn Mal einen Erfolg für die
Betriebsräte. Erst in der vergangenen
Woche hat das Arbeitsgericht Augsburg
entschieden, dass einem Kollegen mehr
als 15 000 Euro ausstehender Lohn ge¬
zahlt werden müssen. „Wir lassen uns
auch künftig nicht einschüchtern 44 , so
der NGG-Vize Burkhard Siebert.
„Ich kann nicht mehr“
Auch die Telekom hat ihre Arbeitsprozesse optimiert
4 Freitag, 28. Februar 2014
Innenpolitik
unsere
zeit Q£d
Recht haben und Recht bekommen ...
... liegen bei der Inklusion weit auseinander
Inklusion
Inklusion wird in der Pädagogik als gemeinsamer Unterricht für Kinder und Jugendliche
in ihrer Vielfalt verstanden. Slogans wie „Es ist normal, verschieden zu sein“ oder „Vielfalt
macht stark“ verdeutlichen dieses pädagogische Verständnis. Kinder mit Behinderungen
zum Beispiel werden also nicht ausgeschlossen.
In der Soziologie geht die Inklusion über die Schule hinaus. Sie bezieht sich auf alle Gesell¬
schaftsbereiche. Kein Mensch darf ausgeschlossen werden. Das gilt zum Beispiel für Per¬
sonen, die auf einen barrierefreien Zugang zum Arbeitsplatz angewiesen sind.
Rechtlich kann sich die Forderung nach Inklusion in Deutschland auf Artikel 1 des Grund¬
gesetzes stützen, in dem die Würde des Menschen, die Menschenrechte und Gerechtigkeit
betont werden. In Artikel 2 wird die freie Entfaltung der Persönlichkeit garantiert. In Artikel
3 steht „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ (Satz 1) und schließlich heißt es „Nie¬
mand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Die Vereinten Nationen beschlossen 2006 das Übereinkommen über die Rechte von Men¬
schen mit Behinderungen. Es handelt sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der von der
Bundesrepublik Deutschland am 23. Januar 2009 ratifiziert wurde. UK
B ehindertenfeindlichkeit und In¬
klusion als deren Gegenteil ha¬
ben in Deutschland eine katas¬
trophale Geschichte. Der Tiefpunkt
lag zweifelsfrei in der staatlichen Dis¬
kriminierung und Selektion von Behin¬
derten im Faschismus bis hin zur geziel¬
ten Ermordung von 14 494 Menschen
mit Behinderungen in der Tötungskli¬
nik Hadamar (Hessen). Giftgas, Gift¬
spritzen und Hunger waren die Mord¬
werkzeuge. Die Begründung der Nazis:
Behinderte sind nicht tauglich für den
Produktionsprozess; sie sind ein unnüt¬
zer Kostenfaktor.
An die Opfer erinnert die Gedenkstät¬
te Hadamar. Die Distanzierung von
den Verbrechen ist zwingend - aber
nicht hinreichend, denn immer noch
gibt es in Deutschland eine latente
Ablehnung von Behinderten und da¬
mit eine Distanz zur Inklusion. Sprin¬
gers „Welt“ brachte die Behinderten¬
feindlichkeit am 26. Juli 2013 mit der
Überschrift „Die Angst vor Inklusion
ist groß und be¬
rechtigt“ auf den
Punkt.
Knapp 490 000
Schüler haben
in den 16 Bundesländern Förderbe¬
darf. Aber noch hat nicht jedes Bun¬
desland die Voraussetzungen für den
inklusiven Unterricht geschaffen. In
Bremen besuchen 55,5 Prozent der
Förderschüler eine reguläre Schule,
in Niedersachsen sind es 11,1 Prozent.
Seitdem die Inklusion in Deutschland
mit einem Rechtsanspruch verbunden
ist, stieg der Inklusionsanteil, also der
gemeinsame Unterricht für Schüler mit
und ohne Behinderung, insgesamt von
18,4 auf 25,0 Prozent. Im Vergleich der
Schulformen ist der inklusive Unter¬
richt an Realschulen und Gymnasien
am schwächsten vertreten.
Der Bildungsforscher Prof. Dr. Klaus
Klemm (Essen) schränkt in seiner Stu¬
die „Inklusion in Deutschland - eine
bildungsstatistische Analyse“ (Auf¬
traggeber: Bertelsmann-Stiftung) al¬
lerdings ein: „Denn der Anteil der
Förderschüler, die in Sonderschulen
unterrichtet werden, ist in dem selben
Zeitraum annähernd konstant geblie¬
ben. So ist die Exklusionsquote, die
diesen Anteil separat beschulter Schü¬
ler an allen Schulen erfasst, in den letz¬
ten vier Jahren lediglich von 4,9 auf 4,8
Prozent (und damit um 2 Prozent) zu¬
rückgegangen“
Hintergrund: die Förderschüler ha¬
ben insgesamt von 482 155 (2008/09)
auf 487155 (2011/12) zugenommen.
Klemm: „Anders ausgedrückt: Im
März 2009 ... lag der Anteil der ver¬
haltensauffälligen, lern- oder körper-
behinderten Kinder an der gesamten
Schülerschaft noch bei 6,0 Prozent; im
Schuljahr 2011/12 betrug er 6,4 Pro¬
zent.“ Die brutale Gesamtbilanz der
Studie: „Nach wie vor erlangen drei
Viertel der Förderschüler, die separat
unterrichtet wer¬
den, nicht ein¬
mal den Haupt¬
schulabschluss.“
Die Schlussfol¬
gerung bei Klemm: „Angesichts der
Tatsache, dass schon den Schülern und
Schülerinnen, die einen Hauptschulab¬
schluss erreichen, die Einmündung in
eine voll qualifizierende Berufsausbil¬
dung sehr schwer fällt, eröffnen spezi¬
elle Abschlüsse oder Abgangszeugnisse
von Förderschulen, die unterhalb des
Hauptschulabschlusses angesiedelt
sind, erst recht kaum Zugangschancen
auf dem Ausbildungsmarkt“
Die Gründe sind vielfältig. Zum Bei¬
spiel wurden Schulen nicht so umge¬
baut, dass Behindertentoiletten einge¬
baut wurden. Oder die Räume liegen
nicht barrierefrei. Wenn die Fachräu¬
me in der zweiten Etage liegen und der
Fahrstuhl fehlt, können sie von Roll¬
stuhlfahrerinnen nicht erreicht werden.
Die Folge: die Schulleitung weigert
sich, die behinderten Schüler aufzuneh¬
men. Schulträger, also verantwortlicher
Bauherr, ist die Kommune. Ihr Argu¬
ment: Wir haben kein Geld und bauen
nicht - obwohl ein Rechtsanspruch auf
Inklusion besteht (s. Kasten).
Zweiter Grund: Es fehlt an Personal
zur Betreuung und Begleitung der Be¬
hinderten. Früher wurden dafür oft¬
mals die kostengünstigen Zivildienst¬
leistenden eingesetzt. Sie stehen nicht
mehr zur Verfügung. Auch Lehrer, die
für inklusiven Unterricht an der Uni¬
versität ausgebildet wurden, gibt es
kaum. Die Integrationshelfer und För¬
derlehrer seien aus den Landeshaus¬
halten zu finanzieren, argumentieren
die Kommunen. Die NRW-Landesre-
gierung schiebt das Problem auf die
nächste Ebene. Schulministerin Sylvia
Löhrmann (Grüne) sieht die Verant¬
wortung - abgeleitet aus dem Sozial¬
gesetzbuch - beim Bund. Die Bundes¬
regierung sieht das Schulwesen wie¬
derum in der föderalen Hoheit der
Bundesländer. Klaus Klemm hat 660
Millionen Euro an Personalkosten er¬
mittelt. Summiert werden drei Milliar¬
den Euro genannt.
Niemand will verantwortlich sein. Nie¬
mand will die Summen einsetzen, die
notwendig wären, um aus dem Rechts¬
anspruch eine Rechtswirklichkeit zu
machen. In NRW haben der Städte-
und Gemeindebund und der Land¬
kreistag Klage beim Landesverfas¬
sungsgericht Münster gegen das Land
angekündigt. Der Städtetag hat sich
ähnlich positioniert. Michael Gerber,
DKP-Ratsherr in Bottrop und Vor¬
sitzender des Schulausschusses: „Das
Gericht wird, wenn es wirklich ange¬
rufen werden sollte, irgendwann ent¬
scheiden. Inklusiv zu beschulende
Schüler benötigen aber heute ihren
inklusiven Platz in der Regelschule.
Wenn keiner verantwortlich sein will,
müssen wir den Druck nach allen Sei¬
ten erhöhen. Finanzielle Ausreden las¬
se ich nicht zu! Es geht schließlich um
die Kinder, die heute noch auf der un¬
tersten Stufe der Bildungsleiter festge¬
halten werden.“
Uwe Koopmann
A \R\N-Landesregierung schiebt das
Problem der Inklusion weg
Ghettorenten
endlich
auszahlen
NS-Opfer zahlen
Versagen deutscher
Behörden
„Das Problem mit den Ghettorenten
muss jetzt unverzüglich gelöst werden“,
fordern die innenpolitische Sprecherin
der Fraktion „Die Linke“, Ulla Jelp¬
ke, und der rentenpolitische Sprecher,
Matthias W. Birkwald, anlässlich des
Kabinettsbesuches in Israel, an dem
auch Bundesarbeitsministerin Andrea
Nahles (SPD) teilnimmt. „Die Linke“
hat zu den Ghettorenten einen Antrag
in den Bundestag eingebracht, mit dem
die Bundesregierung auf gef ordert wird,
schnell einen Gesetzentwurf vorzule¬
gen, der die rechtlichen Grundlagen
dafür schafft, dass die Betroffenen eine
rückwirkende Auszahlung der Rente
ab dem 1. Juli 1997 erhalten.
Jelpke weiter: „Bei der Umsetzung des
Ghetto-Rentengesetzes (ZRBG) ha¬
ben sich über Jahre hinweg Ungerech¬
tigkeiten verschiedenster Art ange¬
häuft. Im Ergebnis werden rund 20 000
Betroffenen Rentenleistungen in vier-
bis fünfstelliger Höhe vorenthalten. Es
kann nicht angehen, dass NS-Opfer, die
im Ghetto schuften mussten, die Rech¬
nung für ein Versagen der deutschen
Behörden zahlen müssen.“
Birkwald ergänzt: „Die Ankündigung
von Arbeitsministerin Nahles, zügig
einen eigenen Gesetzentwurf vorzule¬
gen, begrüßen wir ausdrücklich. Leider
zeigt die Erfahrung, dass insbesonde¬
re die Union hier stark auf die Bremse
tritt. Deshalb machen wir mit unserem
Antrag Druck. Wenn wir unserer Ver¬
antwortung nachkommen wollen, dür¬
fen wir nicht länger warten. Tausende
von Berechtigten sind schon gestorben,
ohne jemals ihre vollen Leistungen er¬
halten zu haben.“
Umwelt-Alarm in Leverkusen
Versiegelte Giftmüll-Deponie der Bayer-AG wird aufgebohrt
Nach dem Krieg wurde die Depo¬
nie notdürftig abgedeckt und mit 220
Wohneinheiten, einem Kindergarten,
einem Altersheim und einer Schu¬
le bebaut. Medizinische Gutachten
zeigten daraufhin bei hunderten von
Anwohnerinnen Veränderungen des
Blutbilds. Allein in einer Hauptschu¬
le am Rand des Geländes traten 15
Krebserkrankungen und fünf Todes¬
fälle auf - viel mehr, als statistisch zu
erwarten wäre. Die Gesamtzahl der
Opfer ist bis heute unbekannt, da
weder die Bayer AG noch die Stadt
Leverkusen eine systematische Er¬
fassung der Erkrankungen Vornah¬
men. Der tödliche Skandal führte
lediglich zur Ablösung des einstigen
Werksdirektors Dietrich Rosahl. Die
Sicherung der Altlasten verschlang
Am Mittwoch, dem 19. Fe¬
bruar, haben in der Lever¬
kusener Dhünnaue Sondie¬
rungsarbeiten für den Bau
einer neuen Autobahnbrü¬
cke begonnen. Hierfür wer¬
den 17 Bohrungen bis in eine
Tiefe von 40 Metern durch¬
geführt. Bis zum Sommer
sind etwa 300 Bohrungen
notwendig. Wie es danach
weitergeht ist noch nicht be¬
kannt. Abriss und Neubau
der Brücke sollen bis min¬
destens 2023 dauern.
Besondere Schwierigkeiten
macht der gefährliche Unter¬
grund: die Dhünnaue diente
dem benachbarten Bayer-
Konzern jahrzehntelang als
Giftmülldeponie. Bei jedem
Bohrloch fallen daher rund
zwei Tonnen Sondermüll an,
die zunächst im Labor unter¬
sucht und je nach Giftigkeit
deponiert oder verbrannt
werden müssen. Die Ar¬
beiter müssen während der
Bohrungen einen Ganzkörperschutz
tragen. Sie tragen Schutzmasken und
atmen gefilterte Luft, denn im Boden
lagern nach wie vor giftige Produkti¬
onsabfälle.
Die Coordinati- -
on gegen Bayer-
Gefahren (CBG)
erinnert daran,
dass die einstmals
„größte bewohnte
Giftmüll-Deponie
Europas“ bis heu¬
te eine Gefahr für die Umwelt dar¬
stellt. Auf dem Gelände liegen meh¬
rere hunderttausend Tonnen Giftmüll,
darunter Schwermetalle und hochge¬
fährliche Chlorverbindungen. Wegen
der ungeordneten Deponierung ist die
genaue Zusammensetzung unbekannt.
Für den Neubau der
Leverkusener Autobahnbrücke
wird die ehemalige Giftmüll-
Deponie des Bayer-Konzerns
entsiegelt.
Im Landtag NRW wurde einst von ei¬
ner größeren Giftlast als in Bitterfeld
gesprochen.
Das verseuchte Erdreich wurde we¬
der abgetragen noch vollständig um¬
schlossen. Ledig¬
lich zum Rhein
hin wurde die Alt¬
last mit Spund¬
wänden gesichert.
Stündlich müssen
daher 750 Kubik¬
meter verseuchtes
Wasser abgepumpt und gereinigt wer¬
den - über Jahrhunderte hinweg. Da
die Schichten unter der Deponie zum
Teil wasserdurchlässig sind, ist ein Ein¬
dringen von giftigem Grundwasser in
den Rhein zu befürchten, besonders bei
Hochwasser.
von 1995 bis 2004 offiziell rund 110
Millionen Euro, die von Land, Bund
und Bayer AG aufgebracht wurden.
Danach fand auf dem Gelände die
Landesgartenschau 2005 statt. Da¬
mals sprach der Konzern davon, dass
mit der Versiegelung das Problem der
Giftmüll-Deponie endgültig beseitigt
sei.
Die CBG und andere Organisationen
forderten schon damals eine vollstän¬
dige Sicherung des Geländes auf Kos¬
ten des Konzerns, Übernahme aller
Folgekosten durch Bayer sowie einen
Gedenkstein für die Opfer. „Die ent¬
stehenden Mehrkosten beim Bau der
Autobahn müssen von Bayer getragen
werden. Umwelt und Anlieger haben
jahrzehntelang unter der Gift-Belas¬
tung gelitten. Der Öffentlichkeit dürfen
nicht noch weitere Folgekosten entste¬
hen“, so Philipp Mimkes vom Vorstand
der CBG.
Bereits 1987 hatte das Landesamt für
Abfall und Wasser festgestellt, dass
„die untersuchten Boden-Eluate eine
teilweise extreme Belastung des Bo¬
dens mit Schadstoffen aufzeigen. Die
Schadstoffe sind bereits so weit in den
Untergrund eingedrungen, dass auch
das Grundwasser davon betroffen ist.
Dieser Umstand ist äußerst bedenklich,
vor allem im Hinblick auf eine mög¬
liche Gefahr für das Trinkwasser (...).
Eine Kontamination z.B. spielender
Kinder oder weidenden Viehs ist nicht
auszuschließen“.
All diese Probleme waren angeblich
mit der Versiegelung von 2004 gelöst.
Doch jetzt holt die Vergangenheit die
Leverkusener Bevölkerung wieder
ein. Mindestens 20 Meter ist die Gift¬
schicht dick, durch die jetzt 300 Lö¬
cher gebohrt werden. Später werden
die Fundamente der neuen Brücke in
die Giftschicht gesetzt. Dass dabei kei¬
ne Gefährdung entsteht, mag glauben,
wer mag. AR (Quelle: CBG)
m unsere zeit _ Innenpolitik _
Die frühe Wende der „GroKo“
Anmerkungen zum „Fall Edathy“ • Von Klaus Wagener
D ie „Zeit“ übertrifft sich wieder
einmal: Sebastian Edathy sei im¬
mer „jemand Apartes gewesen,
im doppelten Sinn des Wortes“ Der
„Egoshooter“ habe den NSU-Unter-
suchungsausschuss „mit kalter Bril¬
lanz und beherrschter Leidenschaft“
geführt. „Mit einer Dringlichkeit, de¬
ren Gründe die Öffentlichkeit jetzt
erst erahnt 4 , 4 habe er sein Ziel verfolgt:
„Er wollte aller Welt zeigen, dass die
deutsche Gesellschaft ein schmutziges
Geheimnis hat “ Der (behauptete) Auf¬
klärungseifer des Ausschussvorsitzen¬
den wird zu einem individualpsycholo¬
gischen Gegenschlag des ethnisch und
sexuell „aparten“ Einwandererkindes,
in dessen Augen „die deutsche Gesell¬
schaft durch und durch vom Rassismus
zerfressen“ sei. Der Besitz von Abbil¬
dungen nackter Kinder ist damit pub¬
lizistisch in die Nähe einer rassistisch
motivierten Mordserie gerückt.
„Im Sommer konnte man ihn gelegent¬
lich im hellen Leinenanzug vor dem
Paul-Löbe-Haus an der Spree stehen
und eine Zigarette rauchen sehen - ein
Dandy der Inneren Sicherheit. Sein
Jagdhund Felix, der in seinem Appar¬
tement auf ihn wartete, muss für ihn
eine Art großer Liebe gewesen sein.“
Der Dandy im Leinenanzug mit seiner
großen Liebe Felix. Nur nicht kleckern
... Und dieser „Dandy“ riss „Polizei¬
beamten und Verfassungsschützern
immer aufs Neue die Maske vom Ge¬
sicht“. Er habe sie „akribisch, gnaden¬
los, mit finsterer Wut oder leisem Spott“
befragt. Gnadenlos, mit finsterer Wut,
„unsere“ (wie man gedanklich zu er¬
gänzen hat) Polizeibeamten und Ver¬
fassungsschützer.
Sebastian Edathy ist politisch tot. Kein
Grund aus ihm einen linken Freiheits¬
kämpfer zu basteln. Und zu einem
Alfred Dreyfus fehlt ihm das Format.
Der „Seeheimer“ ist nicht einmal in
der SPD ein Linker. Sein Eintreten für
die Vorratsdatenspeicherung ist be¬
kannt. Und so akribisch er sich viel¬
leicht durch die Aktenberge des NSU-
Untersuchungsausschusse gegraben
haben mag, so wenig ist doch über die
politisch-strukturellen Verbindungen
der Dienste zum braunen Milieu da¬
bei heraus gekommen. Edathy wusste,
wie viel „Akribie“ er der öffentlichen
Empörung schuldig war und wo sein
„leiser Spott“ es beim „Versagen der
Dienste“ belassen musste. Das BKA
soll während der gesamten Laufzeit
des Untersuchungsausschuss die „ka¬
nadischen Informationen“ zu Edathy
besessen haben.
Staatsanwaltschaft
„Nulla poena sine lege.“ Keine Strafe
ohne Gesetz, das ist der einschlägige
fundamentale Rechtsgrundsatz. Und
dieses Gesetz muss schriftlich (scripta)
und bestimmt (certa) gefasst sein. Und
es dürfen keine
Analogien (stric-
ta) oder rückwir¬
kende Straftat¬
bestände (prae¬
via) zuungunsten
des Angeklagten
geschaffen wer¬
den. Jeder soll wissen können, bei wel¬
cher Handlung genau er sich strafbar
macht. Nähme die handelnde Elite,
Staatsanwaltschaft, politisches Esta¬
blishment und Medien ihre eigenen
Normen ernst, so hätten nach gelten¬
der Strafprozessordnung auf reinen
Vermutungen basierende Verdachts¬
momente zur Privatperson Edathy
erst gar nicht verlautbart werden dür¬
fen. Selbst nach Aussage des leitenden
Oberstaatsanwaltes, Jörg Fröhlich, liegt
kein Straftatbestand vor. Der verfah¬
rensnotwendige Anfangsverdacht wird
mit Hilfe einer dubiosen „Anfix-The-
orie“ konstruiert, nachdem der Besitz
von „Posing-Bildern“ auch eine Nei¬
gung zu „härterem Material“ nach sich
zieht. In der Konsequenz dieser Theo¬
rie sind Autofahrer potentielle Raser,
Männer potentielle Vergewaltiger, je¬
der ein potentieller Straftäter. Auch die
nachgelegte Konstruktion eines „Grau¬
bereichs der Kinderpornographie“ liegt
auf dieser diffusen Ebene. Entweder
Ja oder Nein. Da ist Beweis zu führen.
Das alles zielt beim Publikum auf die
medial verstärkte Erzeugung eines un¬
tergründigen Unbehagens, dient also
erkennbar eher der angeschlagenen
Eigenlegitimation als der sauberen Er¬
mittlungsführung. Fröhlich steht, nach¬
dem er im Fall Christian Wulff gerade
ein Desaster erlebt, nicht sonderlich
blendend da. Und „Graubereich“ wi¬
derspricht elementar den oben genann¬
ten Normen. Nun, bekanntlich geht es
nicht nach diesen Normen. Wer wüsste
das besser als Kommunisten. Edathy
steht am Pranger, ob juristisch schul¬
dig oder nicht. Die Kommentare in den
Leserforen sind geradezu unterirdisch.
Und natürlich melden sich die be¬
kannten Stimmen aus der „Schwanz-
ab-Fraktion“, die eine Verschärfung
der Gesetze fordern. Am liebsten
gleich rückwirkend. Vor wenigen Ta¬
gen lief der wunderbare Film „Mar-
rakesch“ (1998) mit Kate Winslet im
Fernsehen. Der Film lebt zum großen
Teil von den eminent ausdruckstarken
Gesichtern der hinreißenden (Film-)
Töchter Lucy (Carrie Mullan) und Bea
(Bella Riza). Es ist heiß, die beiden
neunjährigen Kinder spielen manch¬
mal nur im Höschen. Wie viele „Eda-
thys“ wird es wohl noch brauchen, bis
auch Filme wie „Marrakesch“ auf den
Index geraten?
Politik
Die SPD-Spitze demonstrierte Ent¬
schlossenheit - gegen ihren eigenen
Parteigenossen. „Gabriels geballte
Offensive“ (Spiegel). Der SPD-Chef
betreibt, „entsetzt“ und „fassungslos“,
den Ausschluss Edathys. Das ist be¬
merkenswert in einer Partei, in der die
Herren Schröder, Eichel und Riester,
verantwortlich für einen Zig-Milliar-
den-schweren Raubzug auf die Taschen
der arbeitenden Menschen und Rent¬
ner, sogar noch gefeiert werden, ebenso
wie ein Herr Scharping, der mit einer
Lüge, wieder, wie 48 Jahre vorher, in
einem Angriffskrieg „Bomben auf Bel¬
grad“ werfen ließ. Oder ein Herr Struck
der Deutschland am Hindukusch ver¬
teidigen wollte. Die Partei ist sich nicht
einmal zu schade, einen bekennenden
Rassisten wie Thilo Sarrazin in ihren
Reihen zu halten und ihren französi¬
schen Genossen den Kriminellen Pe¬
ter Hartz aufzuhalsen. Aber Edathy -
„nicht vereinbar mit einer Mitglied¬
schaft in der SPD“ (Gabriel).
„Gabriels geballte Offensive“ dürfte
nichts nützen. Der Druck auf die SPD
wird sich verstärken. Haben die Me¬
dien in den Koalitionsverhandlungen
noch das Spiel der „SPD mit breiter
Brust“ mitgespielt, die Zustimmung
zur „GroKo“ musste gesichert werden,
so wird im Verlaufe der Entwicklung
zunehmend die eigentliche Agenda
in den Vordergrund gerückt werden.
Und die heißt nicht „Mindestlohn“ und
„Rente mit 63“.
Das Bauernopfer Friedrich, dessen -
illegalen - Geheimnisverrat der SPD-
Chef, offenbar im Gegensatz zu den -
legalen - Fotos Edathys als „mensch¬
lich höchst anständig“ glorifizierte,
wurde mit leichter Hand gebracht. Das
wichtige Innenressort ist nun ohnehin
mit dem strammen Hardliner de Maizi¬
ere besetzt. Und nach einer Ilse Aigner
scheint es für die Landwirtschaft offen¬
kundig ziemlich egal, ob ein faktenre¬
sistenter Friedrich („Winkeladvokaten
und Rechtsverdreher“) oder ein aus¬
gewiesener Nichtfachmann Christian
Schmidt an ihrer Ministeriumsspitze
herum dilettiert. Wichtig ist: Ab jetzt ist
die SPD in der Defensive. Alles andere
ist vergessen. Es wird ein Preis von der
SPD gefordert werden. Und das wird
ein politischer sein.
Pädophilie
Das abenteuerliche Verhältnis von real
nachweisbarem Tatbestand und medi¬
al-politischem Ballyhoo wirft ein be¬
zeichnendes Licht auf die Funktiona-
lisierbarkeit des Pädophilie-Vorwurfs.
Nach der Erosion der christlichen Se¬
xualnormen, der gesellschaftlichen
Anerkennung der Homosexualität ist
die Pädophilie
eine der weni¬
gen, um nicht zu
sagen die sexuel¬
le Orientierung,
welche einem
massiven, in den
letzten Jahren
drastisch verstärkten, gesellschaftli¬
chen Unwerturteil unterliegt. Dabei
verdichtet sich die philisterhafte Erre¬
gung, ausgelöst durch die sensations¬
lüstern-reißerische „Berichterstattung“
über verschiedene brutale Gewaltver¬
brechen an Kindern, zu eine Art Gene¬
ralverdacht, der sich nun über alle legt,
die auch nur in die Nähe des Pädophi¬
lie-Vorwurfs geraten. Aus harmlosen
Bildbetrachtern wird da nicht nur für
die Stammtische umstandslos ein Marc
Dutroux. Auch die ehemalige Famili¬
enministerin Ursula von der Leyen
spielte diese Karte als sie 2009 ihre In¬
ternetzensur durchsetzen wollte: „Kin¬
derpornografie, also Bilder und Filme
über Vergewaltigungen von Kindern
und Säuglingen, wird grundsätzlich
geächtet in unserem Land. Denn wer
kinderpornografische Bilder im Netz
anklickt, der missbraucht die Kinder
erneut und gibt einen Anreiz für die
Produktion immer neuer Bilder.“
Diese sensationsheischende Dramati¬
sierung des Problems sowohl qualitativ
in Richtung Schwere des Verbrechens
als auch quantitativ in Richtung Exis¬
tenz eines Massenmarktes im Internet
hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun.
Niemand wird leugnen, dass es schwere
Verbrechen gegen Kinder gibt. Die gibt
es, aber man kann vieles davon wohl
kaum unter dem Begriff Pädophilie
einsortieren. Ihre Zahl ist allerdings
eher rückläufig. Ein Massenmarkt für
„Bilder und Filme über Vergewalti¬
gungen von Kindern und Säuglingen“
im Internet ist nach Expertenmeinung
ein Mythos. Beispielsweise wurden bei
der „Aktion Mikado“ sämtliche 22 Mio.
Kreditkarten in Deutschland - anlass¬
los - auf diesen Verdacht hin gerastert.
Der Erfolg: Eine Handvoll Bußgeldbe¬
scheide. Den brutalen Verbre¬
chen gegen Kinder, in der Re¬
gel durch Familienangehörige,
liegt in den seltensten Fällen
das unterstellte kommerziel¬
les Interesse zugrunde. Even¬
tuell dabei produzierte Fotos
werden vorwiegend produ¬
ziert und privat getauscht, um
sich damit zu brüsten. Hier
geht es qualitativ um etwas
anderes, als bei Bildern, die
man in den 1970er-Jahren in
den „Lolita“-Heften noch
ganz simpel an jedem Kiosk
kaufen konnte.
Der Mensch hat, natürlich,
eine eben nicht normierte,
sondern breit gefächerte sexu¬
elle Dimension, von denen er
zumeist nur einen sehr gerin¬
gen Teil auslebt. Die Durch¬
setzung sexueller Normen
und entsprechender Unwert¬
urteile erfüllte wichtige ge¬
sellschaftliche (Inzestverbot)
und in Klassengesellschaften
auch Herrschaftsfunktionen.
Überwachen und strafen ge¬
hören zu den elementaren
Herrschaftstechniken. Und
der christliche Ideologieapparat liefer¬
te dazu ein ausgefeiltes, auf das Indivi¬
duum fokussiertes Normengerüst, der
bürgerliche Staatsapparat die entspre¬
chenden individualisierten Instrumen¬
te und Techniken. Gerade der englische
Liberale Jeremy Bentham entwickelte
mit seinem „panoptischen Gefängnis“,
einem Knast, in dem jeder Gefangene
von einem einzigen Punkt aus über¬
wacht werden kann, sich also perma¬
nent beobachtet fühlen muss, den klas¬
sischen Ausdruck der „Disziplinarge-
sellschaft“ (Foucault). Hier entsteht
ein enormer Anpassungsdruck. Wobei
die Herrschenden sich in der Regel als
über der Norm stehend betrachteten.
So bekanntlich auch die Katholische
Kirche, die auf dem diskutierten Ge¬
biet ja über große Erfahrung verfügt,
die aber erstaunlicherweise in von Frau
von der Leyens Kampf für das Kindes¬
wohl kaum die ihr angemessene Be¬
rücksichtigung fand. Nichtbeachtung
finden selbstredend für solch wenig er¬
giebige Themen wie Kinderarmut, Kin¬
derarbeit, Straßenkids und Kinderpros¬
titution. Unterhalb von „vergewaltigte
Säuglinge“ läuft da eben nix.
In Zeiten der digitalen Totalüberwa¬
chung, der digitalisierten Globalisie¬
rung von Benthams Panopticon, ent¬
wickelt sich aus der mit maximaler ge¬
sellschaftlicher Ächtung sanktionierten
Sexualnorm ein geradezu ideales poli¬
tisches und gesellschaftliches Vehikel.
Vergleichbar allenfalls noch mit dem
Stasi- oder Terrorismusvorwurf. Es ent¬
steht ein enormer Konformitätsdruck.
Hier reichen einige, wie auch immer zu¬
stande gekommenen Zahlen in irgend¬
welchen Dateien, einige Andeutungen
auf einer Pressekonferenz und der pu¬
blizistische wie auch der reale Mob ist
von der Kette. Existenzen sind vernich¬
tet, Politiker, Aktivisten, politische Or¬
ganisationen im Aus. Die Bewusstsein¬
sindustrie hat in der Vergangenheit
eindrucksvoll demonstriert, wie sie aus
jedem ausländischen Staatsmann bin¬
nen Tagen ein Monster machen kann.
Hier ist die innenpolitische Variante.
Die Bewusstseinsindustrie hat in der Vergangenheit
eindrucksvoll demonstriert, wie sie aus jedem ausländischen
Staatsmann binnen Tagen ein Monster machen kann.
Hier ist die innenpolitische Variante.
~nn
Für jede Ministerin, jeden Minister die passende Krücke.
Seit die GroKo lahmt, scharen sich die Akteure um so eifriger um die Kanzlerin.
Freitag, 28. Februar 2014
Ärger für Rechtspopulisten
Die Hagener Staatsanwaltschaft er¬
mittelt wegen einer möglichen Wahl-
und Urkundenfälschung gegen „pro
NRW“. Hintergrund ist die Sammlung
von Unterstützungsunterschriften für
die Europawahl. Im 9 000-Einwoh-
ner-Städtchen Breckerfeld (Ennepe-
Ruhr-Kreis) reichte die selbst ernann¬
te „Bürgerbewegung“ Medienberich¬
ten zufolge Unterschriften ein, die die
Verwaltungsmitarbeiter misstrauisch
werden ließen. Die abgegebenen Un¬
terschriften hätten häufig nicht mit de¬
nen auf dem Personalausweis überein¬
gestimmt. Angebliche Unterstützer be¬
richteten demnach auf Nachfrage, dass
sie gar nicht unterschrieben hätten.
Unterdessen wurde bekannt, dass das
Kölner Landgericht ab dem 11. April
gegen vier Stadtverordnete von „pro
Köln“ verhandelt. Vorgeworfen wird
der Fraktionsvorsitzenden Judith Wol¬
ter, ihrem Stellvertreter Jörg Ucker¬
mann, dem Fraktionsgeschäftsfüh¬
rer Markus Wiener und Ratsmitglied
Bernd Schöppe gewerbsmäßiger und
bandenmäßiger Betrug. Sie sollen in
mehr als 350 Fällen unrechtmäßig Sit¬
zungsgelder von der Stadt Köln kas¬
siert haben, unter anderem durch die
Abrechnung von Fraktionssitzungen,
die überhaupt nicht stattgefunden hat¬
ten. Insgesamt soll ein Schaden von
mehreren Zehntausend Euro entstan¬
den sein. Bisher hat das Landgericht
zwölf Verhandlungstage eingeplant.
(blick nach rechts)
Aussteigerprogramm für
„Linksextremisten“
„Das Aussteigerprogramm des Verfas¬
sungsschutzes für sogenannte Linksex¬
tremisten verläuft zu meiner vollen Zu¬
friedenheit - im Sande“, erklärt die in¬
nenpolitische Sprecherin der Fraktion
„Die Linke“, Ulla Jelpke, zur Antwort der
Bundesregierung auf eine Kleine Anfra¬
ge. Darin hatte sich die Fraktion nach der
bisherigen Bilanz des Programms erkun¬
digt. Jelpke weiter:
„Ganze fünf Personen haben im Jahr
2013 bei der Hotline des Geheimdiens¬
tes angerufen. Keiner der Anrufer hat
sich danach noch ein zweites Mal gemel¬
det, keiner der Anrufer ist nach Kennt¬
nis der Bundesregierung aus der linken
Szene ausgestiegen. Im Vorjahr konnte
der Geheimdienst nach eigenen Anga¬
ben noch einem jungen Autonomen aus
Bayern beim Aussteigen behilflich sein.
Insgesamt hatten im Jahr 2012 15 Perso¬
nen angerufen.
Von den fünf Anrufern des Jahres 2013
war einer im Gefängnis, gegen zwei an¬
dere liefen Ermittlungsverfahren. Diese
drei hatten sich wohl Hoffnungen ge¬
macht, mit dem Verfassungsschutz ei¬
nen Deal vereinbaren zu können. Trotz
der, wie die Bundesregierung es nennt,
zahlenmäßig überschaubaren Anzahl 4
von Anrufern will sie am Programm un¬
bedingt festhalten.
Das Programm erweist sich damit als
Witz - allerdings als schlechter: Es exis¬
tiert überhaupt nur, weil die Bundes¬
regierung der Öffentlichkeit und sich
selbst weismachen will, radikale Linke
bräuchten für einen Ausstieg aus ihren
Strukturen genauso Unterstützung wie
Nazis, die eine Kameradschaft verlassen
wollen. Schon die praktische Erfahrung
mit dem Programm beweist, wie unsinnig
diese Gleichsetzung ist.“
Edathy stellt weitere
Strafanzeige
Der Anwalt des unter Verdacht des Be¬
sitzes von Kinderpornografie stehenden
SPD-Politikers Sebastian Edathy hat
den Ermittlungsbehörden vorgeworfen,
„jedes Maß“ verloren zu haben. In Eda¬
thys Fall seien die Unschuldsvermutung
missachtet sowie das Dienstgeheimnis
verletzt worden, heißt es in einer von
Rechtsanwalt Christian Noll verbreite¬
ten Erklärung. Daher habe Edathy ein
weiteres Mal Strafanzeige gegen die Er¬
mittlungsbehörden gestellt.
Die Staatsanwaltschaft habe „öffent¬
lichkeitswirksam Durchsuchungen vor¬
genommen, in der bloßen Hoffnung,
dabei etwas zu finden. 44 Da sie Edathys
Verhalten aber als nicht strafbar einge¬
stuft hatten, hätte der Vorgang geschlos¬
sen werden müssen. Wörtlich heißt es in
der Erklärung: „Es gibt keine rechtlichen
Grauzonen. Es gibt legal und nicht-legal.“
6 Freitag, 28. Februar 2014
Internationale Politik
unsere zeit m
Staatsstreich in der Ukraine
Fortsetzung von Seite i
Die Putschisten in Kiew und ihre west¬
lichen Strippenzieher jubilieren. Aller¬
dings könnte der vermeintliche Sieg
noch eine schwere Bürde für sie wer¬
den. Wir weisen auf drei Aspekte hin:
Erstens könnte das Eingreifen Timo-
schenkos in die politischen Entwicklun¬
gen zu Problemen führen. Für den von
den Herrschenden in Deutschland ins¬
tallierten und zum Präsidentschaftskan¬
didaten auserkorenen Ex-Boxweltmeis-
ter Klitschko stellt Timoschenko eine
ernsthafte Konkurrenz dar. Das hat sie
durch den Anspruch auf die Kandida¬
tur bereits deutlich gemacht. In ihrem
Willen zur Macht sowie als begeistern¬
de Rednerin ist sie Klitschko um drei
Köpfe überlegen, obwohl auch gesehen
werden muss, dass sie durch ihre Es¬
kapaden während der „Orange“-Zeit
manches an Sympathie eingebüßt hat.
Und so leicht wie Klitschko lässt sie sich
nicht von jenseits der Grenzen manipu¬
lieren. Zudem zeigen die Erfahrungen,
dass sie immer für die Inszenierung po¬
litischer Krisen gut ist.
Zweitens: Die bewaffneten faschisti¬
schen Ultras haben in der Westukraine
die Macht ergriffen und werden diese
kaum wieder abgeben wollen. In Kiew
bestimmten sie die Haltung des Mai-
dan und ihr Druck hat der Pro-EU-Op-
position in Parlament und Regierung
die Macht verschafft. Es wäre naiv zu
erwarten, dass sie dafür keinen Tribut
fordern. Sie werden in jedem Fall der
Regierung und einem künftigen Präsi¬
denten im Nacken sitzen.
Drittens könnte den „Siegern“ in Ber¬
lin, Brüssel und Washington der Bissen
Ukraine im Halse stecken bleiben. Das
Land ist hochverschuldet und steht vor
der Zahlungsunfähigkeit. Wenn man
aber schon die Probleme Griechen¬
lands mit seinen 11 Mio. Einwohnern
nicht bewältigen kann, wie soll das
dann in der Ukraine mit mehr als vier¬
mal so viel Einwohnern klappen?
Und die Köpfe der Ukrainer sind
voller Illusionen. Sie glauben, dass
ihr Land nun bald Mitglied der EU
sein wird und dann Milch und Ho¬
nig fließen. Hatten die „Oppositi¬
onsführer“ sie doch mit solchen un¬
erfüllbaren Träumen auf den Mai-
dan gebracht. Statt Milch und Honig
werden EU und IWF ihnen das bit¬
tere Gericht des Sich-zu-Tode Spa¬
rens servieren, wie der Blick nach
Griechenland zeigt. Das Ergebnis
wird noch größere Arbeitslosigkeit
und noch mehr Elend sein. Das jet¬
zige Triumphgeheul könnte bald in
Heulen und Zähneklappern überge¬
hen. Kommt dann ein neuer Maidan?
Willi Gerns
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KPU: Ukraine wird zum Protektorat
Wir dokumentieren in eigener Übersetzung
einen offenen Brief von Petro Simonen-
ko, Erster Sekretär der Kommunistischen
Partei der Ukraine und Vorsitzender der
KPU-Fraktion in der Obersten Rada, dem
ukrainischen Parlament, an die Mitglieder
seiner Partei.
Liebe Genossen Kommunisten!
Ich wende mich an euch in einem der dra¬
matischsten Momente der Geschichte un¬
seres Landes. Während der tragischen
Ereignisse der vergangenen drei Monate
Blutvergießen sind Menschen gestorben.
Die territoriale Integrität der Ukraine, ihre
Existenz als vereinigter unabhängiger und
souveräner Staat ist gefährdet.
Die Ereignisse haben verschiedene Ebenen.
Die Beteiligung einer großen Zahl Menschen
an den Protesten spiegelte die tiefe soziale
Unzufriedenheit mit dem Regime von Janu-
kowitsch und seiner Mannschaft wider, die
das Land unangemessen regiert, die Men¬
schen betrogen und ihre Wahlversprechen
aufgegeben haben. In schwerer Zeit hat er
feige sein Amt aufgegeben. Die freche Be¬
reicherung im Umfeld des als „die Familie“
bekannten Janukowitsch-Clans hat ihn von
der Mehrzahl seiner Anhänger und Wähler
entfremdet.
Doch die Massenproteste haben nicht die
Natur eines Klassenkonflikts angenommen.
Die verbissene Schlacht fand zwischen
zwei Fraktionen derselben Ausbeuterklas¬
se - der Oligarchen-Bourgeoisie - statt, de¬
ren am besten organisierte und vorbereitete
Gruppe sich der pro-westlichen Strömung,
den nationalistischen Kräften und Rechts¬
radikalen angeschlossen hat. Diese Kräfte
machen sich gewöhnlich die Unzufrieden¬
heit der Menschen zunutze und haben einen
Staatsstreich vollzogen.
Zugleich hat sich der Westen offen und ohne
zu zögern in die inneren Angelegenheiten
unseres Landes eingemischt, die Aktionen
der Rechten unterstützt, die bereits auf eine
ernsthafte Veränderung der geopolitischen
Lage in Europa und der Welt gerichtet sind,
gegen die jahrhundertealten wirtschaftli¬
chen, kulturellen und geistigen Bande der
Völker der Ukraine und Russland sowie an¬
derer Brudervölker der früheren Sowjetuni¬
on. Die Ukraine wird zu einem Protektorat
der USA; der EU, der NATO, der Internati¬
onalen Währungsfonds und verschiedener
multinationaler Konzerne.
Die gegen Janukowitsch gerichteten Akti¬
onen der Rechtsradikalen brachten offen
neonazistische Kräfte, ideologische Erben
der Nazi-Invasoren, nach oben. Das wird be¬
gleitet von einer extrem gefährlichen Welle
antikommunistischer Hysterie, von der Zer¬
störung von Denkmälern für Lenin und die
Helden des Großen Vaterländischen Krieges,
von Banditenangriffen auf die Einrichtungen
unserer Partei in Kiew und in anderen Städ¬
ten, vom moralischen und physischen Terror
gegen die Kommunisten und von der Forde¬
rung nach einem Verbot der Aktivitäten der
Kommunistischen Partei der Ukraine.
All das zeigt, dass die Kräfte, die die Macht
ergriffen haben, zu rechtswidrigen Aktio¬
nen zur Unterdrückung nicht nur der Funk¬
tionäre der Partei, sondern auch der einfa¬
chen Kommunisten greifen können. Darauf
müssen wir vorbereitet sein.
Unter diesen Umständen gilt unsere
Hauptsorge, die Strukturen und Kader der
Partei zu erhalten und wachsam zu sein,
um nicht auf Provokationen hereinzufallen.
Es ist wichtig, jede Gelegenheit zu nutzen,
um die Natur des sich vollziehenden Put-
sches und die sich daraus ergebenen Gefah¬
ren für die einfachen Bürger zu erklären: Ein
starker Wirtschaftseinbruch, Anstieg der Er¬
werbslosigkeit und das Ausbleiben von Ge¬
halts- und Rentenzahlungen, Preis- und Ge¬
bührenerhöhungen, zügellose Verbrechen,
eine stärkere Verarmung der Bevölkerung.
Die Führung der Partei und unsere Frakti¬
on in der Obersten Rada der Ukraine wer¬
den alles tun, um unter diesen schwierigen
Umständen die Interessen der Arbeiter zu
schützen, die Partei zu erhalten und die In¬
tegrität der Ukraine zu verteidigen.
Liebe Genossen!
Unsere Partei stellt jeden von uns vor neue
Prüfungen. Stärken wir unsere Kraft und un¬
sere Zahl, vervielfachen wir den Kampf für
unsere gerechte Sache, für den Sozialismus!
Petro Simonenko, Erster Sekretär des Zent¬
ralkomitees der Kommunistischen Partei der
Ukraine, Vorsitzender der kommunistischen
Fraktion in der Obersten Rada der Ukraine
Quelle des Originals: kpu.ua/Übersetzung: RedGlobe
Afrika fest im Blick
Gipfeltreffen in Paris zur Verstärkung der Rolle des deutsch-französischen „Führungsduos“
Island will nicht in die EU
Die isländischen Regierungsparteien,
die liberale „Fortschrittspartei“ und die
bürgerlich-konservative „Unabhängig¬
keitspartei“, haben sich am 21. Febru¬
ar auf ein Gesetz geeinigt, mit dem der
2010 eingereichte Aufnahmeantrag
in die EU zurückgezogen wird. Dies
kündigte Außenminister Sveinsson in
einer Radiosendung an. Die Zurück¬
ziehung des Beitrittsantrags soll ohne
die ursprünglich angekündigte Volks¬
abstimmung erfolgen. Laut Umfragen
wäre bei einem Referendum ein klares
Nein zum EU-Beitritt zu erwarten.
In der Berichterstattung der bürgerli¬
chen Medien wurden als Begründung
vor allem Interessengegensätze we¬
gen der EU-Fischfangquoten ange¬
führt. Das verdeckt die Tatsache, dass
es seit 2009 noch ein weiteres Konflikt¬
thema gibt. Als in der Krise 2008 die
drei größten isländischen Privatbanken
nach milliardenschweren Spekulations¬
operationen an den Rand des Bank¬
rotts gerieten und vom Staat übernom¬
men wurden, wurde aus der EU gefor¬
dert, dass der isländische Staat für ihre
„Rettung“ aufkommen und dafür sor¬
gen müsse, dass ausländischen Gläubi¬
ger keine Verluste erleiden. Vor allem
Kapitalanleger aus Deutschland, den
Niederlanden und Großbritannien
hatten auf lukrative Geldvermehrung
durch die von den isländischen Banken
versprochenen hohen Zinsen gehofft.
Doch der isländische Staatspräsident
Olafur Grimsson weigerte sich kurzer¬
hand, das entsprechende „Icesave“-Ge-
setz zu unterzeichnen. Seitdem gibt es
Forderungen, dass Islands EU-Beitritt
mit einer Regelung dieser „Entschädi¬
gungsfrage“ für die ausländischen Ka¬
pitalanleger gekoppelt sein müsse.
Ziemlicher Auftrieb am 19. Februar
in Paris. Nicht weniger als 15 deutsche
Minister unter Führung der Kanzle¬
rin wurden eingeflogen, um sich mit
Frankreichs Staatschef Hollande, Re¬
gierungschef Ayrault und 25 französi¬
schen Ministern zum 16. französisch¬
deutschen Ministerrat zu treffen. Min¬
destens einmal im Jahr sind derartige
„Gipfeltreffen“ beider Regierungen
vorgesehen. Diesmal war es das ers¬
te seit der Neubildung der Regierung
der „großen Koalition“ in Deutschland,
wodurch Hollande und seine Minister
erstmals mit mehreren sozialdemokra¬
tischen Parteifreunden in deutschen
Ministerämtern zusammentrafen.
ARD-Korrespondent Stefan Simons
meinte, es sei hauptsächlich um ein
„Um-die-Wette-Strahlen im Elysee“
gegangen; Merkel und Hollande hät¬
ten sich „als eingespieltes Harmonie-
Duo“ präsentiert.
Da hatten die fünf Tonnen Kohle und
die 2 000 Liter kontaminiertes Was¬
ser aus der Atomanlage La Hague,
die Greenpeace-Aktivisten am frü¬
hen Morgen des Tages vor den Präsi¬
dentenpalast gekippt hatten, um das
Motto „Weg mit Kohle und Atom -
Energiewende jetzt“ als Forderung an
beide Regierungen zu unterstreichen,
natürlich keine Chance, in den vorherr¬
schenden Medien auch nur erwähnt zu
werden.
Die von den beiden Staatschefs verein¬
barte Gemeinsame Erklärung ist eben¬
so lang (23 Seiten) wie überwiegend mit
wohlklingenden Absichtserklärungen
gefüllt, deren konkrete Bedeutung zu¬
meist nur erraten werden kann. Doch
so verklausuliert die Verlautbarungen
über die vereinbarten Vorhaben auch
formuliert sind, ist das Bestreben, die
Rolle des deutsch-französischen Füh¬
rungsduos sowohl innerhalb der EU als
auch generell in der imperialistischen
Weltpolitik zu verstärken, wohl ernst
zu nehmen.
„Große Harmonie“ und „totale
deutsch-französische Gemeinsamkeit“
ergab sich bei dem Treffen vor allem
im Bereich der Außenpolitik. Zur wei¬
teren Einmischung in der Ukraine
vereinbarten die beiden Außenminis¬
ter Steinmeier und Fabius eine Blitz¬
reise zusammen mit dem polnischen
Außenminister Sikorski in die ukraini¬
sche Hauptstadt. Gemeinsame Reisen
beider Außenminister nach Mali, Mol¬
dawien und Georgien sollen folgen.
Die Koordinierung der Planungsstäbe
beider Außenministerien soll verstärkt
werden.
Im Mittelpunkt der verstärkten außen¬
politischen Kooperation beider Staaten
standen jedoch eindeutig Vereinbarun¬
gen für ein „verstärktes gemeinsames
Engagement“ in Afrika, sowohl per
Militärintervention als auch mit poli¬
tischen und ökonomischen Mitteln. In
der Berichterstattung ist vom Start ei¬
ner „gemeinsamen Afrika-Strategie“
Frankreichs und Deutschlands die
Rede.
Einig war man sich, dass zumindest
Teile der deutsch-französischen Bri¬
gade spätestens ab Frühjahr in Mali
eingesetzt werden. Dementsprechend
beschloss die Mehrheit der Großen
Koalition im Bundestag einen Tag
später, dass der Auslandseinsatz deut¬
scher Einheiten in Mali um ein Jahr
verlängert und die Beteiligung deut¬
scher Soldaten von 180 auf 250 erhöht
wird. Parallel dazu wurde eine stär¬
kere Beteiligung der Bundeswehr an
Transport- und Logistik-Aufgaben für
die Militärintervention in der „Zen¬
tralafrikanischen Republik“ verein¬
bart.
Niemand sollte sich aber durch die
„niedrige Schwelle“ der deutschen mi¬
litärischen Beteiligung täuschen lassen.
Auch wenn von Regierungsseite ver¬
breitet wird, dass es nicht um „Kampf¬
einsätze“, sondern nur um eine „Aus¬
bildungsmission“ in Mali und „Hilfs¬
dienste“ für den Einsatz in der ZAR
gehe und Kanzlerin Merkel nur von
einem „symbolischen Wert“ des deut¬
schen Mali-Einsatzes sprach, dürfte
es hier darum gehen, den „Einstieg
in mehr“ vorzubereiten und die Ge¬
genstimmung in der deutschen Be¬
völkerung abzubauen. Zum Bundes¬
wehreinsatz in Mali meinte Frau Mer¬
kel jedenfalls bereits: „Die malische
Armee auszubilden wird eine längere
Aufgabe sein.“ Auf der Homepage der
Bundesregierung ist auch zu erfahren,
dass deutsche Soldatinnen und Solda¬
ten in Mali neben der Ausbildung der
Mali-Armee auch „Sicherungsaufga¬
ben zum Schutz der Mission“ - also
erforderlichenfalls doch wohl auch
„Kampfeinsätze“ - übernehmen. Au¬
ßerdem wurde laut Mitteilung der Re¬
gierung online der „Ausbildungsauf¬
trag erweitert“, und zwar so, dass die
deutschen Einheiten auch „Führungs¬
stäbe und das malische Verteidigungs¬
ministerium beraten“.
Außerdem werden Deutschland und
Frankreich laut der gemeinsamen Er¬
klärung auch „zur Stabilisierung Liby¬
ens und zur Sicherheit der Sahelzone
beitragen“. Aber auch generell will das
„Führungsduo“ in der EU die militär¬
politische Zusammenarbeit innerhalb
der EU wie auf bilateraler Ebene und
die „Koordinierung ihrer wichtigen au¬
ßen-, sicherheits- und verteidigungspo¬
litischen Entscheidungen“ verstärken
und „gemeinsame Handlungsoptio¬
nen entwickeln“. Dazu gehört u.a. die
Einrichtung einer „interdisziplinären
Arbeitsgruppe, die zügig Vorschläge
erarbeiten soll“, um die „Entwicklung
einer neuen Generation von Überwa¬
chungsdrohnen bis 2020-2025“zu un¬
terstützen. Ferner werden sie „anhand
der Harmonisierung des militärischen
Bedarfs die erforderlichen interopera¬
blen Mittel und Fähigkeiten entwickeln
und Initiativen zur Verstärkung ihrer
Industrie- und Technologiepartner¬
schaften ergreifen“.
Und auch die Zusammenarbeit der Ge¬
heimdienste ist nicht vergessen worden.
Laut der gemeinsamen Erklärung ha¬
ben Hollande und Merkel „den fran¬
zösischen N achrichtendienst-Koordi-
nator, A. Zabulon, und den deutschen
Staatssekretär für die Belange der
Nachrichtendienste, K.-D. Fritsche, auf¬
gefordert, Vorschläge für eine verstärk¬
te Zusammenarbeit unserer Nachrich¬
tendienste zu erarbeiten“.
Georg Polikeit
m unsere zeit
Internationale Politik
Freitag, 28. Februar 2014
Putsch nach bekanntem Drehbuch
ln Venezuela wollen Opposition und Imperialismus die gewählte Regierung stürzen
A ngeblich „ganz spontan“ ge¬
hen Unzufriedene auf die Stra¬
ße, um gegen tatsächliche oder
vermeintliche Fehler der Regierung
zu protestieren. Plötzlich schlagen die
Demonstrationen in Gewalt um, Barri¬
kaden werden errichtet, das öffentliche
Leben wird behindert oder ganz zum
Stillstand gebracht. Die Forderungen
radikalisieren sich, letztlich geht es nur
noch um den Rücktritt der Regierung.
Internationale Medien berichten vol¬
ler Sympathie über die „friedlichen
Demonstranten“ während ausländi¬
sche Regierungen „beide Seiten“ zum
Dialog aufrufen, aber letztlich die Re¬
gierung des Landes für die Gewalt ver¬
antwortlich machen.
Dieses Drehbuch erleben wir nun
auch - einmal mehr - in Venezuela.
Angefangen hatte es Anfang Februar
zunächst mit einer Demonstration von
Angestellten oppositioneller Tages¬
zeitungen, die sich darüber beklagten,
dass für sie zu wenig Papier zur Ver¬
fügung stehe. Es folgten Proteste von
Studentengruppen, die von den Op¬
positionsparteien und rechten Medien
lautstark unterstützt wurden. Die De¬
monstration am 12. Februar eskalier¬
te jedoch, als vermummte Teilnehmer
nach Abschluss der Kundgebung ver¬
suchten, das Gebäude der Staatsan¬
waltschaft im Zentrum der Hauptstadt
Caracas zu stürmen. Es fielen Schüsse,
durch die am Ort des Geschehens zwei
junge Männer getötet wurden. Mehrere
Stunden später starb bei einem weite¬
ren Protest ein dritter Mann.
Das war der Auftakt für eine seither an¬
haltende Serie von Protesten, bei denen
es inzwischen nur noch um den Rück¬
tritt des Präsidenten Nicoläs Maduro
geht. Dass dieser erst im vergangenen
April demokratisch gewählt wurde,
spielt keine Rolle. Dass das Regierungs¬
lager bei den Kommunalwahlen im ver¬
gangenen Dezember einen eindrucks¬
vollen Sieg feiern konnte, interessiert
ebenfalls nicht. Und dass Umfragen der
venezolanischen Meinungsforschungs¬
institute nach wie vor eine Mehrheit für
Maduro ergeben, stört nur.
Die Massenmedien in den USA, Eu¬
ropa und Lateinamerika haben sich
auch in diesem Fall zum Sprachrohr
der rechten Opposition gemacht. Breit
bilden ARD, ZDF und Privatsender die
Proteste in Venezuela ab. Dabei fällt ih¬
nen kaum auf, dass sie oft nur brennen¬
de Barrikaden zeigen können, die von
lediglich einer Handvoll Jugendlicher
verteidigt werden - und denen oftmals
die Sicherheitskräfte nur zugucken, so¬
lange die Aktion nicht aus dem Ruder
läuft. Die Großdemonstration von Ar¬
beitern, Frauen oder älteren Venezola¬
nern, die gegen die Gewalt und für die
Regierung auf die Straße gehen, finden
nur am Rande statt.
Tatsächlich ist Venezuela in den meis¬
ten Teilen des Landes völlig ruhig. Die
Randale spielt sich fast ausschließlich
in den wohlhabenden Mittelschichts¬
vierteln im Osten von Caracas ab. Ein
weiterer Schwerpunkt ist der an Ko¬
lumbien grenzende Bundesstaat Tächi-
ra mit der Hauptstadt San Cristöbal.
Deren Bürgermeister wurde erkannt,
als er selbst mit Tüchern vermummt an
den Krawallen in seiner Stadt teilnahm.
An anderen Orten kommt es hingegen
Dei Basis steht hinter Präsident Maduro.
nur vereinzelt zu Protesten oder „Gua-
rimbas“ wie die Straßenblockaden mit
brennenden Autoreifen in Venezuela
genannt werden. Von Streiks der Ar¬
beiter ist nichts zu hören, und auch aus
den Sicherheitskräften sind keine An¬
zeichen für Spannungen bekannt.
Trotzdem hat die von Präsident Madu¬
ro als Putschversuch bezeichnete Kam¬
pagne der Rechten bis Montag min¬
destens elf Menschenleben gekostet.
Über das bis dahin letzte Todesopfer
informierte Maduro am vergangenen
Sonntag bei einer Demonstration von
älteren Venezolanern. Der junge Dan¬
ny Vargas sei in Tächira von einer Per¬
son erstochen worden, die sich über die
zahlreichen Blockaden aufgeregt habe.
Oppositionsmedien machen die Re¬
gierung pauschal für alle Todesopfer
verantwortlich. Doch eine Analyse der
Zeitschrift „Questiön“ wirft ein ande¬
res Blick auf die Vorfälle. So war der
erste Tote, der 40 Jahre alte Juan Mon¬
toya, ein bekannter Aktivist der so¬
zialen Bewegungen in dem für seine
kämpferischen Traditionen bekannten
Stadtviertel 23 de Enero. Er wurde am
12. Februar auf der Avenida Candela-
ria im Zentrum von Caracas ermordet.
Kurz nach ihm starb der 24-jährige
Bassil Dacosta, der einen Bekannnten
auf die Oppositionsdemonstration be¬
gleitet hatte. Medienberichten zufolge
wurden beide aus der selben Waffe er¬
schossen, verhaftet wurde deswegen of¬
fenbar ein Beamter des Geheimdiens¬
tes SEBIN, der sich entgegen aller An¬
ordnungen am Ort des Geschehens
aufgehalten hatte. Geheimdienstchef
Manuel Gregorio Bernal war unmit¬
telbar darauf von Präsident Maduro
seines Amtes enthoben worden. Das
dritte Todesopfer des Tages war der
28-jährige Roberto Redman, der eini¬
ge Stunden später bei einer Protestakti¬
on im Mittelschichtsviertel Chacao von
einem Motorrad aus erschossen wurde.
Ein Zusammenhang wird vermutet, die
Hintergründe der Tat sind jedoch bis¬
lang nicht aufgeklärt.
In Cumanä im ostvenezolanischen
Bundesstaat Sucre starb der 17-jähri¬
ge Jose Ernesto Mendez, nachdem er
während einer Straßenblockade von ei¬
ner anderen Person zusammengeschla¬
gen worden war. Ob der Zwischenfall
in direktem Zusammenhang mit dem
Protest stand, ist unklar, doch Madu¬
ro zählt den Jugendlichen zu den Op¬
fern der Gewaltwelle. Ebenso wie das
22-jährige Fotomodell Genesis Car-
mona, die in Valencia während einer
Oppositionsdemonstration erschossen
wurde. Ursprünglich hatten die Medi¬
en sozialistische Gegendemonstranten
für das Verbrechen verantwortlich ge¬
macht, doch ballistische Untersuchun¬
gen ergaben, dass die junge Frau von
hinten - aus den eigenen Reihen der
Oppositionellen - erschossen wurde.
Während der Fall Carmonas, die 2013
zur „Miss Tourismus Carabobo“ ge¬
wählt worden war, große Aufmerk¬
samkeit erregte, berichtete kaum eine
Zeitung über den Tod des 36-jährigen
Stahlarbeiters Ängel Castillo. Er wur¬
de aus einem nahe gelegenen Gebäude
heraus erschossen, als er sich gerade mit
seinen Kollegen aus einer Demonstrati¬
on für die Regierung löste. Ebenso ver¬
schwiegen die meisten Medien den Tod
des 54 Jahre alten Arturo Alexis Mar-
tinez, einem Bruder des sozialistischen
Parlamentsabgeordneten Armando
Martfnez. Er wurde erschossen, als er
in Barquisimeto gerade versuchte, zu ei¬
ner Barrikade aufgehäufte Abfälle zur
Seite zu räumen, um mit seinem Auto
die Straße passieren zu können.
„Zusammengefasst ist klar, dass keiner
der Todesfälle, die sich in den vergan¬
genen Tagen in Venezuela ereignet ha¬
ben, auf Aktionen der dämonisierten
bewaffneten ,Colectivos 4 des Chavis-
mo zurückgeführt werden kann“, kom¬
mentiert „Questiön“ die Ergebnisse
der Analyse. „Colectivos“ werden die
unzähligen Basisgruppen genannt, die
sich vor allem in den ärmeren Vierteln
der Städte organisiert haben. Viele von
ihnen leisten freiwillige soziale Arbeit,
zum Beispiel Gesundheitsaufklärung,
bieten Sportveranstaltungen oder Mu¬
sik an und kümmern sich um die Ver¬
schönerung ihrer Stadtteile. Viele die¬
ser Gruppen verstehen sich aber auch
als revolutionär links, manche auch
durchaus als kommunistisch, und kri¬
tisieren die Regierung, wenn sie nicht
hart genug gegen die Rechte vorgeht.
Die „Colectivos“ bilden so zusammen
mit kämpferischen Gewerkschaften,
der Kommunistischen Partei PCV und
anderen revolutionären Kräften den
linken Flügel der bolivarischen Bewe¬
gung Venezuelas. Deshalb sind sie von
der rechten Opposition zum Haupt¬
feind erklärt worden.
Gegen diese Spaltungsversuche der
Putschisten hat die PCV zu einer Stär¬
kung der Einheit der revolutionären
Kräfte und zu einer ideologischen und
politischen Debatte aufgerufen, um
das gemeinsame Handeln zu vertiefen.
„Wir sind ein freies, souveränes, un¬
abhängiges Land und haben auf allen
Ebenen angeprangert, dass gegen un¬
sere Nation ein vom US-Imperialismus
entwickelter Destabilisierungsplan ab¬
läuft“, warnte der kommunistische Par¬
lamentsabgeordnete Yul Jabour. Letzt¬
lich habe diese Kampagne Washingtons
gegen Venezuela begonnen, als Hugo
Chävez vor 15 Jahren sein Amt als Prä¬
sident des südamerikanischen Landes
antrat, erinnerte Jabour unter ande¬
rem an die Verwicklung der USA in
den Putsch vom April 2002.
Andre Scheer
Verhandlungen „auf gutem Weg“
Das geplante „Freihandelsabkommen“ mit den USA dient allein Profitinteressen
Die hinter verschlossenen Türen ge¬
führten Verhandlungen über eine
„Transatlantische Handels- und In¬
vestitionspartnerschaft“ (Transatlantic
Trade and Investment Partnership -
TTIP) zwischen den USA und der EU
sind „auf gutem Weg“. Das haben die
Chefunterhändler beider Seiten, der
US-Handelsbeauftrage Micheal Fro-
man und der für den Handel zuständige
EU-Kommissar Karel de Gucht, bei ih¬
rem jüngsten Treffen am 17/18. Februar
in Washington festgestellt, zu dem sie
zusammengekommen waren, um nach
den ersten drei Verhandlungsrunden
„Bilanz zu ziehen“.
Laut de Gucht seien alle Aspekte wie
ungehinderter Marktzugang, Aus-
schreibungs- und Vergaberegeln, Re¬
gulierungsvorschriften in Sachen Ver¬
braucher-, Umwelt- und Datenschutz
sowie die weitere Absenkung oder
Abschaffung von Zöllen in den bishe¬
rigen Gesprächen bereits behandelt
worden. Doch die Details in den ein¬
zelnen Bereichen müssten noch gere¬
gelt werden. In einigen Bereichen sei¬
en die Vorstellungen auch noch weit
auseinander. Die nächste Verhand¬
lungsrunde ist für den 10.-14. März in
Brüssel geplant.
Also war die ganze vordergründig de¬
monstrierte Aufregung über den Ab¬
hörskandal der US-Geheimdienste,
die Millionen Telefongespräche und E-
Mail-Verbindungen von EU-Bürgern
einschließlich des Handys der deutschen
Kanzlerin und anderer führender EU-
Politiker abgefangen und ausgeforscht
haben, ohne jeden Effekt geblieben.
Selbst die EU-Kommissarin Viviane
Reding hatte beim Bekanntwerden des
Skandals verkündet, nun müssten die
TTIP-Verhandlungen zumindest ausge¬
setzt werden, bis der Vorgang „aufge¬
klärt“ ist und die USA einem „No-spy-
Abkommen“, also einem Verzicht auf
derartige Abhöraktionen zugestimmt
haben. Offensichtlich war das alles nur
heiße Luft. Von einem „No-spy-Abkom¬
men“ ist seit Wochen keine Rede mehr,
nachdem US-Präsident Obama mitge¬
teilt hatte, dass die CIA wegen der „Be¬
kämpfung von Terrorismus“ auf derarti¬
ge Ausspähaktionen in aller Welt nicht
verzichten könne.
EU-Kommissar de Gucht bemühte sich
bei seinem Auftritt nach dem Treffen in
Washington, der in vielen EU-Ländern
aufgekommenen Kritik an dem beab¬
sichtigten „Freihandelsabkommen“ ent¬
gegenzuwirken, indem er verkündete,
„europäische Standards“ würden „nicht
aufgeweicht“. „Hormonfleisch“ aus den
USA werde in der EU nicht zugelassen.
Er kann dies allerdings leicht behaup¬
ten, weil die Verhandlungen über die
konkreten Vertragsregelungen streng
von der Öffentlichkeit abgeschirmt
geführt werden. Eine Kontrolle, ob de
Guchts Versprechen eingehalten oder -
wie häufig - durch juristische Hinter¬
türchen im Vertragstext ausgehebelt
werden, ist daher nicht möglich. Nicht
einmal der „TTIP-Beraterausschuss“
der bei der EU eingerichtet wurde
und aus Vertretern von Unternehmer¬
verbänden und Verbraucherschutzor¬
ganisationen besteht und jeweils über
den Ablauf der Verhandlungsrunden
„informiert“ werden soll, hat Zugang
zu den verhandelten Texten. Viele Ver¬
braucherschützer befürchten, dass am
Ende der EU-Markt für nach niedrige¬
ren Standards produzierte Nahrungs¬
mittel aus den USA „geöffnet“ wird
und damit US-amerikanische oder ka¬
nadische Landwirtschaftsprodukte wie
Gen-Mais, hormonbelastetes Fleisch
oder mit Chlorgas behandelte Hühn¬
chen in europäischen Supermärkten
landen könnten, ohne dass dies für die
Verbraucher erkennbar sein wird.
Allerdings erscheint der in mehreren
EU-Staaten hörbar gewordene Wi¬
derstand gegen das TTIP-Abkommen
noch wenig koordiniert. Das Abkom¬
men wird, wenn es zustande kommt,
zweifellos den US-Multis mehr Absatz-
und Gewinnmöglichkeiten in Europa
eröffnen und umgekehrt vielleicht auch
den in der EU angesiedelten transna¬
tionalen Konzernen größere Profit¬
aussichten auf dem USA-Markt eröff¬
nen. Auf jeden Fall aber hätte es eine
enorme Verschärfung des Konkurrenz¬
kampfs zwischen den Großkonzernen
beider Seiten zur Folge, was mit ziem¬
licher Sicherheit zu einer Bedrohung
für dabei auf der Strecke bleibende Ar¬
beitsplätze führen würde. Deshalb ist
die Verhinderung dieses Abkommens
nicht nur eine Frage für Verbraucher-.
Umwelt- und Datenschützer, sondern
auch für die Gewerkschaften. Da nicht
nur die Regierungschefs der EU, son¬
dern auch das EU-Parlament dem
TTIP-Abkommen zustimmen muss,
sind Möglichkeiten gegeben, es zu Fall
zu bringen, wenn eine Mehrheit im
EU-Parlament durch außerparlamen¬
tarische Aktionen dazu gebracht wer¬
den kann, ihm nicht zuzustimmen.
Georg Polikeit
Monopol-für
Zypern-Lösung
Neubelebung des
Annan-Plans
2011 wurden südlich von Zypern rei¬
che Erdgasvorkommen entdeckt. Nob¬
le Energy, eine texanische Firma, schätz¬
te nach ersten Bohrungen das Volumen
auf 180 bis 285 Milliarden Kubikme¬
ter. Mittlerweile ergaben weitere For¬
schungen mindestens das Doppelte im
Levante-Becken, das von Israel, Liba¬
non, Syrien und Zypern begrenzt wird.
Unternehmen wie Total (Frankreich),
Petronas (Malaysia), Eni (Italien), Ma¬
rathon Oil (US) und Cairn Energy (UK)
bekundeten umgehend ihr Schürf-Inter-
esse. Vorsichtig berechnet kann Zypern
seinen Anteil mit einem Gesamtwert
von rund 620 Mrd. Euro veranschlagen,
fast das Dreißigfache der jährlichen
Wirtschaftsleistung Zyperns. Wundert
es da, dass die politischen Eliten der
USA und der EU mit Hochdruck nach
Wegen suchen, die entdeckten Ressour¬
cen ihren eigenen energiepolitischen In¬
teressen ein- bzw. unterzuordnen?
Deutschland etwa will die Abhängig¬
keit von russischen Gasimporten redu¬
zieren. Einen Südostkorridor für eine
neue, unabhängige und sichere Gas-
Importroute nach Europa zu schaffen
ist seit vielen Jahren erklärtes Ziel der
deutschen Regierung und erhält durch
die Gasfunde besondere Aktualität.
Politisch störend wirkt allerdings die
ungelöste Zypernfrage. Am 11. Februar
trafen sich nun am früheren Flughafen
von Nikosia, der unter dem Schutz der
UNO steht, der konservative Zypern¬
präsident Nikos Anastasiadis und der
Präsident der völkerrechtlich nicht an¬
erkannten Türkischen Republik Nord¬
zypern, Dervis Eroglou; keineswegs
überraschend, wie Anastasiadis beton¬
te: Das vorherige Treffen mit der Ver¬
treterin des US-Außenministeriums
Victoria Ruland habe ihm sehr gehol¬
fen bei dem Versuch, den Verhand¬
lungsprozess neu zu beleben. Nachdem
die Verhandlungen im Juli 2012 nach
dem Scheitern des Annan-Planes be¬
endet wurden, erklärten Anastasiadis
und Eroglou jetzt in einem gemeinsa¬
men Kommunique ihren Willen, erneut
die Lösung der Zypernfrage anzuge¬
hen. In der Folge gab es bereits meh¬
rere Treffen von Unterhändlern, die
eine Lösungsbasis ausarbeiten sollen.
Offensichtlich geht es um eine Neuauf¬
lage des Annan-Planes, der im Wesent¬
lichen eine Teilung Zyperns beinhaltet
und den Status quo in einer föderalen
Struktur festschreiben will. Weder die
türkische Besatzung im Norden noch
die beiden Militärstützpunkte der ehe¬
maligen Kolonialmacht Großbritanni¬
en, Akrotiri und Dhekhelia, stehen im
Verhandlungsprozess zur Disposition.
Eine bizonale Struktur mit hoher de¬
zentraler Autonomie sowie einer Zen¬
tralregierung für ganz Zypern und ge¬
meinsamer Staatsbürgerschaft sieht auf
dem Papier progressiv aus, zementiert
in der politischen Praxis für Zypern
gleichwohl die Teilung. Souveränität
eines geeinten Zypern sieht anders aus.
Andros Kyprianou, Generalsekretär
der AKEL (Fortschrittspartei des ar¬
beitenden Volkes), stellte deshalb auch
klar: „Nur eine föderative Lösung mit
staatlicher Souveränität in einer Ver¬
einigten Republik Zypern, in der die
Menschenrechte und die Grundfreihei¬
ten aller Zyprioten gewährleistet wer¬
den, findet unsere Unterstützung. Das
schließt das Recht auf Rückkehr der
Flüchtlinge auf ihren Grund und Bo¬
den bzw. ihre Häuser ein. Diese Lösung
muss den Rückzug der Siedler und die
vollständige Entmilitarisierung sowohl
der türkischen wie auch der britischen
Besatzung realisieren.“ So sieht es die
UN-Resolution 353 vor, die die Integri¬
tät und Unteilbarkeit der Republik Zy¬
pern bekräftigt, und auch die Resolution
541 des UN-Sicherheitsrates, in der die
Türkische Republik Nordzypern für völ¬
kerrechtswidrig erklärt wird. Statt dem
Völkerrecht Geltung zu verschaffen, er¬
höhen die USA und die EU den Druck
und bedienen ihre imperialistischen In¬
teressen: der Kampf um die Erdgas-Res¬
sourcen und die Strategie der NATO ge¬
gen die arabische Welt mit Hilfe der Mi¬
litärstützpunkte auf Zypern. Udo Paulus
8 Freitag, 28. Februar 2014
Kommentare / Interview
unsere zeit m
Gastkolummne von Volker Bräutigam
Sehr geehrte Frau Merkel...
... als die wegen diverser Verbre¬
chen rechtmäßig zu einer mehrjähri¬
gen Haftstrafe verurteilte ukrainische
Multimillionärin Julia Timoschenke
unter dem Jubel des Kiewer Stra¬
ßenmobs aus dem Gefängnis ent¬
lassen werden musste, haben Sie als
erste namhafte ausländische Politike¬
rin der Dame telefonisch Glück ge¬
wünscht. Wir wissen es nicht, müssen
aber annehmen, dass Sie die Oligar¬
chin auch ermunterten, sich nun um
die Führung der Ukraine zu bemü¬
hen. Jedenfalls erklärte Timoschenko
gleich nach dem Telefonat, sie werde
im Mai zu den Präsidentschaftswah¬
len antreten.
Selbst unter jenen Rebellen, die den
bisherigen Präsidenten Janukowitsch
hassen, sind viele über Timoschenkos
Avancen entsetzt: „Für diesen Wech¬
sel sind die Menschen nicht gestor¬
ben“, stand auf Protestplakaten mit
den Fotos von Janukowitsch und Ti¬
moschenko zu lesen. Vermutlich ist
Ihnen jedoch egal, was jene Ukrai¬
ner denken, die in dem Kiewer Cha¬
os noch halbwegs bei Verstand ge¬
blieben sind.
Nicht erst Ihr eiliger Glückwunsch
offenbart: Sie pfeifen auf das Gebot
der Nichteinmischung in die inne¬
ren Angelegenheiten eines fremden
Staates, eine der Grundlagen des Völ¬
kerrechts. Und ukrainisches Verfas¬
sungsrecht ist Ihnen schon vollends
gleichgültig. Präsident Janukowitsch
ist zwar ein in freier und demokrati¬
scher Wahl - unter den wachsamen
Augen der OS CE - vom Volk beru¬
fenes Staatsoberhaupt, das deshalb
rechtens allenfalls vom Wahlvolk
wieder abgesetzt werden kann. Nicht
aber vom Parlament, schon gar nicht,
wenn diese Abgeordnetenversamm¬
lung unter unmittelbarem Einfluss
des bewaffneten Mobs beraten und
beschließen muss.
Eine deutsche Kanzlerin scheren sol¬
che rechtstechnischen Feinheiten na¬
türlich nicht.
Frau Kanzlerin, Sie schätzen und stüt¬
zen sich auf Milliardärinnen wie Liz
Mohn und Friede Springer, die das
für Sie so notwendige dumpfe Volks¬
empfinden päppeln. Sie sympathisie¬
ren mit der demnächst wieder über
Milliarden verfügenden Timoschen¬
ko und genießen es, inmitten von Rei¬
chen und Mächtigen selbst Macht zu
haben. Macht, die Sie nachdrücklich
und entgegen dem Mehrheitswillen
Ihrer Wähler gebrauchen. Darunter
die aggressive deutsche Großmacht¬
politik inklusive Militäreinsätzen im
Ausland, die europafeindliche Auste-
ritätspolitik, die Bankenrettung, die
Zulassung von Genmais.
Strich drunter: Ihre Politik ist längst
nicht mehr verfassungskonform.
Das Grundgesetz macht sich das
Völkerrecht ausdrücklich zu eigen.
Sie nicht, das zeigt ein Blick auf Ihre
Einmischung in der Ukraine. Mit
wie vielen Millionen hat Ihre Par¬
tei den Staatsstreich in Kiew finan¬
ziert? Mit welcher Kabale haben
Sie zu den Exzessen auf dem Mai-
dan beitragen lassen? Nach meiner
unmaßgeblichen Ansicht betreiben
Sie Verfassungsbruch, erfüllt Ihre
Regierung den Straftatbestand des
Friedensverrats. Vielleicht klärt sich
das in nicht allzu ferner Zukunft
noch formell.
Das Schicksal ist ein launisches
Wesen. Die einst regierende Timo¬
schenko kam in den Knast, regiert
vielleicht bald wieder - und landet
eines schönen Tages wohl auch wie¬
der im Bau. In Deutschland gehen
die Uhren langsamer. Der Michel
braucht seit jeher ein paar Jahre
mehr für schlagfertige Antworten.
Deshalb sind Sie an der Regierung -
noch.
Dokumentiert:
Gesetzinitiative zur sogenannten
Tarifeinheit verhindern!
Beschluss des Stadtvorstands der GEW München
Wir fordern den GEW- Bundesvorstand auf,
die ganze Kraft unserer Gewerkschaft ein¬
zusetzen, um die geplante Gesetzesinitiative
der Bunderegierung zur sog. Tarifeinheit zu
verhindern.
Begründung:
(...) Das Ziel der Tarifeinheit, also das Prin¬
zip „Ein Betrieb - eine Gewerkschaft“, ist
es, die Kampfkraft der Belegschaften und
der Gewerkschaften durch Geschlossenheit
zu stärken. Es waren vor allem die Unterneh¬
mer, die diese Einheit durchbrachen, indem
sie mit kapital-nahen Pseudo-Gewerkschaf¬
ten Dumpingverträge abschlossen oder Tei¬
le der Belegschaft abspalteten und ihnen in
Tochterfirmen schlechtere Tarife verpassten,
wie z.B. den Pförtnern, Reinigungskräften
u.a. Service-Arbeitern. Da war von Taifeinheit
nichts zu hören. Die angebliche Sorge um ei¬
nen einheitlichen Tarifvertrag ließe sich sehr
schnell beheben: Was hindert die Unterneh¬
mer, bei unterschiedlichen Tarifverträgen den
jeweils günstigsten einheitlich für alle anzu¬
wenden? Die Unternehmer werden im Gegen¬
teil die Praxis der Spaltung nicht aufgeben,
sie werden den Flächentarifvertrag weiter zu
durchlöchern suchen und so käme ein Ge¬
setz zur sog. Tarifeinheit einer Aufforderung
an sie gleich, gelbe Gewerkschaften ins Le¬
ben zu rufen.
Es geht ihnen nicht um Tarifeinheit, es geht
ihnen um nichts anderes als ein Streikver¬
bot. Die Unternehmer begründen ihren er¬
neuten Vorstoß heuchlerisch mit den angeb¬
lichen schädlichen Auswirkungen von Streiks
„in Krankenhäusern oder Pflegeheimen, auf
Flughäfen oder beim Schienenverkehr, bei Be¬
triebsfeuerwehren oder Vorfeldlotsen.“ Eine
solche Abwägung der Interessen der Streiken¬
den und volkswirtschaftlicher Fernwirkungen
würde bald jeden Streik unmöglich machen,
das liefe auf Tarifzensur und das Verbot der
Tarifautonomie hinaus. Diese gilt als Grund¬
recht für Mehrheiten wie für Minderheiten,
ihre Einschränkung widerspräche damit der
Verfassung (Koalitionsgrundrecht des Art. 9
Abs. 3 GG).
(...)
Aber wir dürfen uns deshalb nicht zurück¬
lehnen und auf das Bundesverfassungsge¬
richt hoffen. Wir müssen das Streikrecht aus
eigener Kraft verteidigen. Denn „das Streik¬
recht ist das wichtigste Grundrecht von Ar¬
beitnehmern,“ so hieß es in der Resolution
der ver.di-Fachgruppe Verlage, Druck und Pa¬
pier 2010. „Ohne das Recht auf Streik kön¬
nen Gewerkschaftsmitglieder ihre Interessen
nicht durchsetzen. Ohne Streikrecht gibt es
keine Tarifautonomie. Tarifverhandlungen
würden verkommen zu „kollektivem Bet¬
teln“ . Streikrecht und Tarifautonomie müs¬
sen gegen alle Angriffe von Arbeitgebern und
Politik unbedingt und mit allen Mitteln vertei¬
digt werden.“
Dass Andrea Nahles (SPD) den Vorstoß des
BDA jetzt wieder aufgreift, liegt u.a. daran,
dass es auch innerhalb des DGB Zustimmung
gab und gibt. Dahinter steckt die Intention,
die Konkurrenz der Spartengewerkschaften
zu beseitigen.
(...)
Die Sorge vor einer angeblich unberechenba¬
ren Streikhäufigkeit, vor „unnötigen Streiks“
schließlich ist lächerlich in einem Land, das
die geringste Zahl an Streiktagen in Euro¬
pa aufweist und wo das Streikrecht ohnehin
schon beschnitten und auf das Tarifrecht re¬
duziert ist. Im Wissen, dass der Unternehmer¬
angriff auf unsere sozialen und demokrati¬
schen Rechte dringend der Gegenwehr bedarf,
verabschiedete der ver.di-Bundeskongress
2007 einen Antrag für ein „allumfassendes
Streikrecht nach den Maßgaben der Europä¬
ischen Sozialcharta, einschließlich des politi¬
schen Streiks und des Generalstreiks“.
Und noch einmal Detlef Hensche: „Es wird zu
wenig gestreikt in diesem Lande!“
Mit Begründung verabschiedet am 10.2.2014
auf der Stadtvorstandssitzung der GEW Mün¬
chen
CO-Pipeline kurz vor der Schrottpresse
Bayer-Millionenprojekt stinkt zum Himmel
Die Pipeline des Weltkonzerns Bayer,
die tödliches Kohlenmonoxid (CO)
über 67 Kilometer von Dormagen
durch zum Teil dicht besiedelte Wohn¬
gebiete nach Krefeld-Uerdingen trans¬
portieren soll, ist erneut in die Medien
gelangt. Im Gegensatz zum CO, das
unsichtbar, geruch- und geschmacklos
ist, entstand jetzt der Eindruck, dass
hier erneut ein Skandal ruchbar gewor¬
den ist und nun zum Himmel stinkt.
UZ: Du warst zehn Jahre lang für die
DKP im Rathaus von Düsseldorf-Ger¬
resheim aktiv. Was hat dieser Stadtbe¬
zirk unter kommunalpolitischen Ge¬
sichtspunkten mit der Pipeline von Bay¬
er zu tun?
Uwe Koopmann: Die Pipeline führt
seit 2009 mehr als einen Kilometer
durch unseren Stadtbezirk, dicht vor¬
bei an Wohnhäusern, an einer Tankstel¬
le, an einem Kindergarten, einer Kir¬
che und einer Kneipe - und der Garage
der Freiwilligen Feuerwehr. Der Todes¬
streifen hat bei einem Bruch der Pipe¬
line eine Breite von 1,5 Kilometern.
Die Zahl der Toten wäre unermesslich.
Bayer verweist dagegen zum Umgang
mit dem Giftgas auf eine Erfahrungs¬
spanne, die schon vor 1945 ihren An¬
fang genommen habe ...
UZ: Kannst du kurz die tödlichen Ge¬
fahren benennen, die vom CO ausge¬
hen?
Uwe Koopmann: Die Mediziner
und Chemiker in unserer Initiati¬
ve haben dargestellt: CO verdrängt
Sauerstoff vom roten Blutfarbstoff
(Hämoglobin); es bindet 200-fach
stärker an den Blutfarbstoff als
Sauerstoff; es blockiert den Sau¬
erstofftransport. Sind 47 Prozent
des Blutfarbstoffs mit CO besetzt,
ist Leben nicht mehr möglich. An¬
schaulich: ein Schnapsglas gefüllt
mit CO wirkt tödlich.
UZ: Warum belastet Bayer die Be¬
völkerung mit diesem Risiko?
Uwe Koopmann: Zwei Gründe.
Nach eigenen Berechnungen von
Bayer ist der Bau der CO-Pipe-
line - man spricht von 100 Millio¬
nen Euro - und der Transport von
Kohlenmonoxid vom Standort
Dormagen zum Standort Krefeld-
Uerdingen billiger als die Produk¬
tion am Abnehmerstandort. Es
geht also betriebswirtschaftlich
um die Frage: Wie erziele ich den
höchsten Profit? Die Verfolgung
des Ziels, ich verweise auf Marx, wird
unter Umständen auch zum Preis des
eigenen Unterganges verfolgt. In die¬
sem Fall ist es der Tod der Anlieger der
Pipeline-Trasse.
UZ: Und der zweite Grund ...
Uwe Koopmann: ... liegt darin, dass
Bayer diese Pipeline als Referenzob¬
jekt für neue Pipeline-Strecken be¬
trachtet. Verlängerungen sind bereits
zu weiteren Chemie-Standorten an¬
gedacht. Es geht also um strategische
Überlegungen.
UZ: Auch diese Gründe könnten jetzt
in einer Sackgasse enden?
Uwe Koopmann: Richtig! Dabei ist
es politisch kompliziert. Alle Partei¬
en im NRW-Landtag, auch die Grü¬
nen, hatten 2006 ohne Aussprache im
Plenum für die Lex Bayer gestimmt,
also praktisch für die Enteignung der
Grundeigentümer, damit die Pipeline
auch gegen den Widerstand der Be¬
troffenen gebaut werden kann. Bayer
hatte damals argumentiert, dass es kei¬
ne Alternative zur Pipeline gebe und
dieses Transportmittel am wirtschaft¬
lichsten sei. Zudem diene die Pipeline
der Allgemeinheit. Die Mehrheit von
CDU und SPD war zu keinem Zeit¬
punkt bereit, das Gesetz zu kassieren.
Auch in der vergangenen Woche, als
die CO-Pipeline auf Antrag der CDU
Uwe Koopmann war lange Jahre
Bezirksvertreter in Düsseldorf-
Gerresheim.
wieder Thema im Landtag war, gab es
dazu keinen Antrag, auch nicht von
den Grünen. Die Partei möchte schon,
unterwirft sich aber dem mit der SPD
vereinbarten Koalitionsvertrag, der das
nicht zulässt. Der CDU-Antrag wurde
von allen Parteien einstimmig zur wei¬
teren Beratung in den Fachausschuss
überwiesen.
UZ: Die Grünen und die wenigen Kri¬
tiker der Pipeline in den Reihen von
CDU und SPD haben den „Fluchtweg“
zur Justiz, zum Oberverwaltungsgericht
(OVG) in Münster, eingeschlagen. Dort
könnte noch in diesem Jahr entschieden
werden, ob Bayer die Pipeline letztend¬
lich in Betrieb nehmen darf.
Uwe Koopmann: So ist es. Aber noch
einmal zur Politik. Umweltminister Jo¬
hannes Remmel (Grüne) ließ ein exter¬
nes Gutachten beim Bielefelder Insti¬
tut für Umweltanalyse (IFUA) erstel¬
len. Das kommt zu folgendem Schluss:
„Die CO-Versorgung vor Ort in Uer¬
dingen stellte schon zum Zeitpunkt
der Entscheidungsfindung für den
Bau und Betrieb der CO-Pipeline die
kostengünstigere und auch wirtschaft¬
lichere Investitionsalternative für die
sichere CO-Versorgung am Standort
Uerdingen dar.“ Die CO-Produktion
in Krefeld-Uerdingen sei im Vergleich
zum Pipeline-Bau sogar um 60 Prozent
günstiger. Damit war die bisherige be¬
triebswirtschaftliche Argumentation
von Bayer zusammengebrochen. IFUA
und das Institut für Wasser & Energie
Bochum (IWEB) stützen sich bei ihren
Berechnungen auf Zahlen, die Bayer
veröffentlicht hat. Weitere Erkenntnis¬
se: Dormagen produziert gar nicht die
CO-Überschüsse, um die Werke in Le¬
verkusen und Krefeld hinreichend be¬
liefern zu können.
UZ: Die Bayer AG streut Zweifel gegen
das Gutachten.
Uwe Koopmann: Anlass war der
nicht-öffentliche Erörterungstermin
am 18. Februar vor dem OVG Müns¬
ter. Dort könnte noch in diesem Jahr -
also acht Jahre nach der politischen
Genehmigung durch das Lex Bayer -
entschieden werden, ob die Pipeline
Kohlenmonoxid transportieren darf
oder ob sie gleichsam in die Schrott¬
presse kommt. Dem Gericht ist das
Gutachten bekannt. Es könnte also bei
der Entscheidungsfindung eine Rolle
spielen. Kernvorwurf: Das Gutachten
basiere „auf einer unvollständigen Tat¬
sachengrundlage“. Diese Aussage fällt
zurück auf Bayer, denn das Unterneh¬
men hat Unterlagen mit Hinweis auf
Betriebsgeheimnisse nicht zur Verfü¬
gung gestellt. Andererseits wurde das
Gutachten, vom Umweltminister be¬
stellt, zunächst nur Bayer „zugänglich“
gemacht.
Flankiert wird die Bayer-Replik durch
die fast zeitgleiche Behandlung des be¬
sagten CDU-Antrages am 20. Februar
im Landtag, in dem geradezu gebets¬
mühlenartig die Bayer-Positionen wie¬
derholt werden. Es wäre vermutlich ef¬
fektiver, wenn die CDU-Fraktion ihre
Sessel im Landtag dem Bayer-Vor¬
stand direkt angeboten hätte. Beson¬
ders dreist die Forderung: „Stärkung
der Verbundstandorte, insbesondere
durch beschleunigte Genehmigungs¬
verfahren von Pipeline-Projekten ...
und Unterstützung aktueller Pipeline-
Projekte wie die CO-Pipeline von Dor¬
magen nach Uerdingen.“
UZ: Es geht der CDU im NRW-
Landtag aber offensichtlich nicht
nur um die Rettung der CO-Pipe¬
line?
Uwe Koopmann: Es geht insgesamt
um viel mehr. Die Politik soll ganz
im Sinne des Klassenkampfes von
oben nach unten das Koordinaten¬
system der Klassenverhältnisse ver¬
schieben. Verschleiernd heißt es in
dem Antrag der Vorkämpfer Armin
Laschet, Lutz Lienenkämper und
Henrik Wüst: „Die Landesregierung
wird aufgefordert, die Rahmenbe¬
dingungen für die chemische und
pharmazeutische Industrie in NRW
zu verbessern.“ Und dann wird mit
dem Vorschlaghammer gearbeitet:
Abschaffung des Klimaschutzgeset¬
zes, Verzicht auf den Klimaschutz¬
plan, mehr Wissenstransfer zwi¬
schen Hochschulen und Wirtschaft,
Rücknahme des Gesetzes über das
Verbandsklagerecht und die Mit¬
wirkungsrechte der Tierschutzverei¬
ne, mehr Geld für den Straßenbau.
Leichter wäre es nur noch, wenn
Bayer beauftragt würde, die passen¬
den Gesetze und Verordnungen in
den eigenen Büros schreiben zu lassen.
UZ: Wie ist heute die Reaktion auf die¬
ses Zusammenspiel von Ministerien,
Landtagsparteien und Bayer?
Uwe Koopmann: Aus den Reihen der
Pipeline-Gegner wurde die Kritik auf
den Punkt gebracht: Es sei unglaublich,
wie ein Großteil der Düsseldorfer Ma¬
rionetten bzw. ihre Fäden führenden
Spieler sich offenbar verschämt und
amtsmüde in Bezug auf die CO-Pipe-
line in ihre Puppenkiste (Landtag) ver¬
krochen haben. Das „Allgemeinwohl“
werde von Bayer strapaziert. Eine Ar¬
beitsplatzgarantie gebe es nicht. Viel¬
mehr drohe Konzernchef Dekkers mit
der Produktionsverlagerung in Billig¬
lohnländer oder die Kunststoffsparte
ganz zu verkaufen. Das Zusammenspiel
der Beteiligten bekommt einen passen¬
den Fachbegriff: Schmierentheater.
UZ: Bleibt nur noch die Frage nach den
Aktivitäten der DKP.
Uwe Koopmann: In Düsseldorf haben
wir die CO-Pipeline und die Bayer-
Aktivitäten fest im Blick. Im Rahmen
der Kommunalpolitik und der Kom¬
munalwahlen spielt das Thema aber
auch an den anderen Berührungs¬
punkten entlang der Trasse eine Rol¬
le: Dormagen, Köln, Solingen bis hin
nach Krefeld.
Die Fragen stellte Adi Reiher.
Bayer MaterialScience ist beim Bau der CO-
Pipeline diskret: Auf den gelben Metallrohren
mit der freien Fläche am Kopfende wurde noch
nicht die erforderliche Warntafel angebracht, die
darauf hinweist, dass an dieser Stelle unterir¬
disch die hochgiftige Pipeline verläuft.
Sozialistische
Wochenzeitung -
Zeitung der DKP
www.unsere-zeit.de
Bundeswehr in aller Welt
Vor allem aber in Afrika ...
S chon vor 1990 wurden Einheiten der Bundeswehr im
Ausland eingesetzt: bei „humanitären“ Hilfsaktionen
bzw. der Katastrophenhilfe.
Noch 1982 lehnte Bundeskanzler Helmut Schmidt aber eine
Anfrage der USA ab, die um eine Entsendung von Minen¬
räumbooten der Bundesmarine in den während des ersten
Golfkrieges von Iran und Irak verminten Persischen Golf
bat. Die offizielle, aber nicht exakte Begründung lautete da¬
mals, das Grundgesetz beschränke den Aktionsradius der
Bundeswehr auf die sogenannte „erweiterte Landesvertei¬
digung“ im Rahmen der NATO.
1990 begann in der Bundesrepublik eine Debatte über den
Einsatz der Bundeswehr außerhalb des NATO-Vertragsge-
biets. Während sich die damaligen Regierungsparteien CDU
und FDP für solche Einsätze (noch im Rahmen einer UN-
Mandatierung) aussprachen, waren SPD und Grüne zunächst
dagegen.
Erste Bundeswehreinsätze außerhalb der EU und des Ge¬
bietes der NATO-Staaten, die keine Hilfsaktionen wa¬
ren, gab es bereits zwischen dem 16. August 1990 und dem
13. September 1991 während und nach dem Zweiten Golf¬
krieg vom 30. Januar 1991 bis 17. März 1991 im Rahmen der
US-Operation Desert Storm (MinenabWehrkräfte der Ma¬
rine). 1993 erfolgte die Entsendung eines Feldlazaretts nach
Phnom Penh im Rahmen der UN Advance Mission in Cam-
bodia (UNAMIC).
Danach wurden Bundeswehreinsätze in aller Welt zur „Nor¬
malität“. Im Rahmen von UNO-Missionen, aber auch der
NATO. Aber erst 1999 beteiligte man sich - und dies unter
einer Regierung der SPD und Bündnisgrünen im Rahmen
der NATO-Aggression gegen Jugoslawien erstmals seit 1945
wieder offen an Kriegshandlungen. Seitdem sind bewaffnete
Truppen „vor Ort“: Im Kosovo beispielsweise im Rahmen
der KFOR.
Am Irakkrieg beteiligte sich Deutschland nicht mit Truppen,
aber von hier aus starteten nicht nur US-Versorgungsflüge ...
Seitdem hat sich viel verändert. Deutsche Truppen stehen
in Afghanistan, deutsche Patriot-Raketen immer noch in
der Türkei an der Grenze zu Syrien. Schiffe sind im Rah¬
men der UNIFIL-Mission und beim Antiterroreinsatz Ac¬
tive Endeavor im Mittelmeer im Einsatz sowie am Horn
von Afrika (ATALANTA). In Afghanistan will man nach
dem Teilabzug 2014 weiter dabei sein - mit einer „Ausbil¬
dungsmission“ ...
Die Bundeswehr selbst wirbt auf ihren Seiten www.bundes-
wehr.einsatz.de oder auch www.marine.de für die Einsätze
der Bundeswehr in aller Welt.
Diese konzentrieren sich derzeit vor allem auf Afrika. Oft
ihm Rahmen einer UNO- oder „EU“-Mission unter dem La¬
bel „humanitäre Hilfe“, häufig unter dem des „Partnership“,
also der Ausbildung von Polizei und Militär oder des „ Anti-
Terror-Kampfes“. Die Bundeswehr ist - wenn auch noch mit
kleineren Gruppen - vor Ort in der Westsahara, in Mali, im
Sudan und Südsudan, in der Demokratischen Republik Kon¬
go, in Uganda. Und auch die Bundespolizei ist unterwegs ...
Doch man will künftig nicht mehr nur „Geleitzug“ sein oder
Unterstützung für andere geben, sondern verstärkt eigene
Interessen verfolgen (siehe UZ vom 21. Februar, Seite 1).
Schließlich geht es unter anderem um politischen und wirt¬
schaftlichen Einfluß, vor allem aber um die Sicherung des
Zugriffs auf seltene bzw. knapper werdende wichtige Roh¬
stoffe.
Und deshalb könnte beispielsweise ein Einsatz der Bundes¬
wehr in der Zentralafrikanischen Republik folgen, in der es
große Uran Vorkommen gibt, die bislang nicht abgebaut wer¬
den (vgl. Dirk Seifert, Deutsche Militäreinsätze in Afrika als
„Sicherheit“ für Europa, umweltfairaendern.de, 28.1.2014)
nh
Einsätze der Bundes¬
wehr zu Wasser, zu
Lande und in der Luft
- in Mali, im Kosovo, in
Afghanistan, vor den
Küsten Somalias und
des Libanon
Fotos:
Bundeswehr/Falk Bärwald
Bundeswehr/Sebastian Wilke
Bundeswehr/Wayman
Bundeswehr/Hbtsm Sascha Jonack
Bundeswehr/KdoStratAufkl
Bundeswehr/Bienert
10 Freitag, 28. Februar 2014
Theorie und Geschichte
unsere zeit m
1914 und die Mauer
Ludwig Elm über runde Jahrestage, die deutsche Rechte und ihr gesamteuropäisches Geschichts-Gaucklertum*
D ie Bundesstiftung zur „Aufar¬
beitung der SED-Diktatur“ of¬
feriert seit September 2013 bun¬
desweit, preisgünstig und massenhaft
die Ausstellung „Diktatur und Demo¬
kratie im Zeitalter der Extreme. Streif¬
lichter auf die Geschichte Europas im
20. Jahrhundert“ Sie wurde vom Insti¬
tut für Zeitgeschichte München aus¬
gearbeitet. Es gehe darum, angesichts
gleichzeitiger runder Jahrestage (1914,
1939,1989 und 2004 - Osterweiterung
EU) „die Geschichte der kommunis¬
tischen Diktaturen in SBZ/DDR und
Mittel- und Osteuropa sowie der deut¬
schen und europäischen Teilung in der
Geschichte Europas des 20. Jahrhun¬
derts“ zu verorten. 1 Von 26 Plakaten
der Ausstellung zeigt das Startplakat
mit Werbefunktion die Berliner Mau¬
er und drängt dem Betrachter plump
die ideologische Leitidee auf. Ein ein¬
ziges Poster ist dem Ersten Weltkrieg
gewidmet. Im Januar 2014 eröffnete
Bundestagspräsident Norbert Lam-
mert die Ausstellung im Paul-Löbe-
Haus des Parlaments und erteilte ihr
damit eine höhere Weihe. Sie soll auch
im Ausland gezeigt werden: Das wirt¬
schaftlich stärkste Land Europas bean¬
sprucht längst maßgeblichen Einfluss
auf eine militant antikommunistische
Massenbeinflussung der Öffentlichkeit
des Kontinents ...
Die Mauer als Leitmotiv
Die Mauer soll als tragisches, angeblich
nur vom Kommunismus verursachtes
und herausragendes Symbol der Irrwe¬
ge des 20. Jahrhunderts stilisiert wer¬
den. Sie soll im Geschichtsbild nach¬
wachsender Generationen den Ersten
Weltkrieg, den damaligen Nachkriegs¬
terror, Weltwirtschaftskrise und die
Mitverantwortlichen für den 30. Janu¬
ar 1933, den 1. September 1939 und den
europaweiten Vernichtungskrieg, aber
auch die Erinnerung an die Revoluti¬
on vom 9. November 1918 sowie vor
allem an den Befreiungstag, den 8. Mai
1945 zurückdrängen. Unerwähnt bleibt
wiederum, dass die staatliche Spaltung
1948/49, die langjährige Nichtanerken¬
nung und grundsätzliche Anfeindung
des anderen deutschen Staates sowie
der Beitritt eines deutschen Teilstaa¬
tes im Jahre 1955 zur NATO jeweils
von westlicher Seite ausging und lange
vor 1961 die Teilung Deutschlands ze¬
mentiert hatte. Wer daran erinnert wird
überhört oder diffamiert - ihm schlägt
inszenierte Empörung entgegen. Wer
der DDR feindselig gegenüber stand
oder aus anderen Gründen mit ihr Pro¬
bleme hatte, erhält einen ungleich hö¬
heren Rang und breiteren Raum in der
Erinnerung als die Vielzahl jener Frau¬
en und Männer der Arbeiterbewegung,
als die Mehrzahl der Gegner von Mili¬
tarismus und Faschismus, die im Ersten
Weltkrieg, in der Weimarer Republik
sowie in den Jahren der faschistischen
Diktatur und des Zweiten Weltkrieges
verfolgt, entrechtet, in Emigration oder
KZ getrieben und ermordet wurden.
Diesem Geschichtskonzept entspricht,
dass mit Beginn dieses Jahres politisch
und medial die Kampagne zur Vorbe¬
reitung des 25. Jahrestages des Mauer¬
falls eröffnet wurde. Das geschieht in
der Tradition jener restaurativ-anti-
kommunistischen Kräfte, die im Som¬
mer 1953 unter Mithilfe der SPD eilig
einen Feiertag am 17. Juni ausriefen,
aber über ein halbes Jahrhundert ei¬
nen Gedenktag für die Opfer des Fa¬
schismus verhinderten. Ihre Nachfol¬
ger sind jene, die bis heute dem 8. Mai
1945 ignorant bis feindselig begegnen
und bei seiner gelegentlich unvermeid¬
baren Erwähnung keinesfalls den Fa¬
schismus (oder auch nur „Nationalso¬
zialismus“) erwähnt sehen möchten.
Es sind die geistigen Erben und poli¬
tischen Nachkommen der Kreise, die
weit über vierzig Jahre keinerlei Anlass
für eine Gedenkstättenkonzeption der
Bundesrepublik gesehen hatten ...
Unionsparteien und FDP hatten nach
dem Ende der faschistischen Diktatu¬
ren in Portugal und Spanien, von au¬
toritären Militärregimes in der Türkei,
Griechenland und anderswo keinen
Anlass gesehen, sich für die Aufar¬
beitung massenhafter und teilweise
jahrzehntelanger Verbrechen zu en¬
gagieren. Von Ausnahmen abgesehen,
spielen die - beispielsweise unter der
Franco-Diktatur oder in Indonesien
1965 - verübten Morde und Massaker
bis heute in der offiziellen Erinnerungs¬
kultur der Bundesrepublik keine nen¬
nenswerte Rolle. Schließlich sind es die
der deutschen Rechten ideell und poli¬
tisch verbundenen Schichten und Par¬
teien in jenen Ländern, die
meist bis heute Klärungspro¬
zesse bezüglich ihrer krimi¬
nellen Vergangenheiten ver-
oder behindern. Andererseits
überschlagen sich die rechten
Kräfte in der Bundesrepub¬
lik seit den 1990er Jahren im
Bemühen, das fortschritts¬
feindliche Erbe und Poten¬
tial baltischer sowie ost- und
südosteuropäischer Länder -
militär- und profaschistische
Traditionen eingeschlossen -
zu mobilisieren.
In diesem Sinne gibt es
längst Anstrengungen, das
primär antikommunistische
Konzept gesamteuropä¬
isch durchzusetzen. Es wird
sichtbar in dem Versuch, den
28. August 1939, den Tag der
Unterzeichnung des deutsch-
sowjetischen Nichtangriffs¬
paktes mit geheimem Zu¬
satzabkommen, als europäi¬
schen Gedenktag zu stiften.
Zunehmend und meist ohne
auffälligen Widerspruch wird
die Sowjetunion neben Nazi¬
deutschland als annähernd
gleichermaßen mitverant¬
wortlich für den Ausbruch
des Zweiten Weltkrieges ge¬
nannt. Aktuell äußert sich die
Grundtendenz im Beschluss
des Europäischen Parlaments
„Europa für Bürgerinnen
und Bürger“ vom 19. No¬
vember 2013, Initiativen zu
fördern, die „die Ursachen
der totalitären Regime in
der modernen europäischen
Geschichte (insbesonde¬
re, aber nicht ausschließlich
des Nationalsozialismus, der
zum Holocaust führte, des Fa¬
schismus, Stalinismus und der totalitä¬
ren kommunistischen Regime) und das
Gedenken an die Opfer ihrer Verbre¬
chen“ reflektieren ...
Die deutsche Rechte als
Haupttäter benennen
Um dominante ideologische Prozesse
in Gesellschaft und politischem System
der Bundesrepublik, ihre Triebkräfte,
Inhalte und Feindbilder zutreffend
verorten zu können, wird hier für den
Schlüsselbegriff „deutsche Rechte“
plädiert. Das Verständnis entspricht im
Wesentlichen dem von Peter Glotz in
seiner gleichnamigen Schrift von 1989:
„Die Hauptfigur dieser Schrift heißt
Helmut Kohl. Er ist, seinen vielen Ver¬
ächtern zum Trotz, seit 1973 die Zen-
tralfigur in der rechten Hälfte des po¬
litischen Spektrums“. 2 Die „größte Par¬
tei der Rechten in der Bundesrepublik,
die CDU“ sei bisher von Konrad Ade¬
nauer und Helmut Kohl geprägt wor¬
den. Glotz betonte den analytischen
Wert seines Verständnisses von der
Rechten, denn seine Schrift sei „gera¬
de ein Plädoyer fürs genaue Hinschau¬
en, also die Unterscheidung zwischen
rechtsliberalen, liberal-konservativen,
national-konservativen, rechtspopu-
listischen, rechtsradikalen, rechtsext¬
remistischen und rechtsterroristischen
Gruppen und Splittern“. 3 Das ist heu¬
te hilfreich für eine Klarstellung, die
der Strömung statt des vernebelnden
Vokabulars von „christlich“, „neo-“
oder „marktliberal“, „wertkonserva¬
tiv“, „europäisch“, „sozial“ usw. ihren
tatsächlichen Platz zuweist. 2014 ist
in der Nachfolge von Adenauer, Er¬
hard, Kiesinger, Strauß und Kohl die
CDU-Vor sitzende und Kanzlerin An¬
gela Merkel die „Hauptfigur“ der deut¬
schen Rechten. Bezüglich der Bezeich¬
nung der US-amerikanischen, franzö¬
sischen oder britischen Rechten sind
die semantischen Hemmungen gerin¬
ger. Allerdings ruft auch in keinem die¬
ser Länder der Begriff vergleichbare
Assoziationen zur Erbschaft schwers¬
ter und massenhafter Verbrechen ge¬
gen die Menschlichkeit hervor. Die
Tatorte reichen von China 1900 und
Südwestafrika 1904-1907, über Belgi¬
en, Frankreich, Russland und ande¬
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re Länder 1914 bis 1918 bis zu denen
des Faschismus und im Zweiten Welt¬
krieg. Die bevorstehende Wiederkehr
der 100. und 75. Jahrestage jener Ereig¬
nisse alarmiert konservative, militant
antikommunistische Kräfte und veran¬
lasst sie, mit geschichtspolitischen Initi¬
ativen die Hegemonie in der Deutung
des vergangenen Jahrhunderts zu be¬
halten. Sie wollen ihren heutigen und
absehbaren gesellschaftspolitischen
Ambitionen auch daraus Plausibilität
und Massenwirksamkeit verleihen ...
Geistige Krise und
fehlende Perspektiven
... Eine Kompensation für nunmehr
unumgängliche Offenlegungen zu Ge¬
sellschaft und Geschichte der Bun¬
desrepublik wird offensichtlich in der
weiter verschärften Denunziation und
Delegitimierung der DDR gesucht und
gefunden. Jüngste Beispiele unablässi¬
ger Kampagnen: Die Arbeit in Haft¬
anstalten der DDR wird als „Zwangs¬
arbeit“ bezeichnet, um Analogien zur
tatsächlichen Zwangsarbeit in der NS-
Diktatur zu suggerieren. Die Forderung
nach Verbot von DDR-Symbolen wird
in Teilen von Medien und Politik nicht
als rechte Scharfmacherei, sondern als
diskussionswürdige Wortmeldung auf¬
genommen. Die unablässige, aggres¬
sive sowie von den Ursprüngen und
Grundlagen her fälschende Beschrei¬
bung und Herabsetzung des vergan¬
genen zweiten deutschen Staates wur¬
den ein Hauptfeld indirekt verklärter
Selbstdarstellung bundesdeutscher Ge¬
sellschaft und Geschichte. Überhaupt
gehört das Bestreben, von eigenen kri¬
tikwürdigen Herkünften vor und nach
1945 abzulenken und sich historisch zu
entlasten, nicht zu den letzten Antrie¬
ben des eifernden zeitgenössischen Ge¬
schichtsrevisionismus und schier endlos
fortgeschriebenen Gaucklertums.
Die bürgerlich-aristokratischen Ober¬
schichten speisten ihre Herrschafts¬
ideologie im Kaiserreich wesentlich aus
den militärischen Erfolgen von 1813,
1864, 1866 und besonders 1870/71 ge¬
gen Frankreich; aus kolonialen Erobe¬
rungen, Hochrüstung sowie Anfangs¬
und Teilerfolgen im Ersten Weltkrieg.
Ab 1919 füllten Bismarck- und Hinden-
burgkult, Dolchstoßlegende,
Monarchismus, Gegnerschaft
zu Versailles und Antibol¬
schewismus die Geschichts¬
bücher, die Rechtspresse so¬
wie die akademischen Fest¬
akte und die Trivialliteratur.
Nicht erst, aber vor allem seit
1990 dienen Mauerfall und
Ende der DDR, das Schei¬
tern des osteuropäischen
Staatssozialismus und die
globale Dominanz des Kapi¬
talismus dazu, der fortbeste¬
henden bürgerlichen Gesell¬
schaft und ihrem politischem
System den ansonsten unzu¬
länglichen Glanz geschichtli¬
cher Überlegenheit und his¬
torischer Siege zu verleihen.
Offensichtlich erscheinen
unter Bedingungen chroni¬
scher Krisenprozesse, extre¬
mer Ungleichheit sowie feh¬
lender Zukunftsgewissheit
Dax-Werte, Export-Quoten
und immerwährende Krimi-,
Sex- und Dschungelberiese¬
lung als wesentlich, aber ide¬
ell und ethisch unzureichend.
Ein großzügig finanziertes
und regierungsamtlich pro¬
tegiertes Netz staatlicher In¬
stitutionen und Instrumen¬
tarien steht längst dafür zur
Verfügung. Es offenbart die
Realitäten des bundesdeut¬
schen Verständnisses von
Zivilgesellschaft und Plura¬
lismus, Wissenschafts- und
Meinungsfreiheit, Rechts¬
staatlichkeit sowie Achtung
der Menschenwürde aller.
Systematisch wird ausge¬
grenzt und geächtet oder pri¬
vilegiert, es grassieren Tabus
und enge Sprachregelungen
in Politik, Medien und Bildung. Zu
den traditionellen Zentralen und Stif¬
tungen zur politischen Bildung kamen
seit den neunziger Jahren die Stasi-Un¬
terlagenbehörde mit Filialen in Bun¬
desländern sowie Funktionen bei der
Aktenöffnung sowie zur ideologischen
Steuerung und Mobilisierung, die Stif¬
tung zur Aufarbeitung der SED-Dikta¬
tur, neu geschaffene zeitgeschichtliche
Forschungs- und Propagandainstitute
in Leipzig, Dresden, Weimar und Pots¬
dam und der Forschungsverbund SED-
Staat in Berlin. An Universitäten und
Hochschulen wetteiferten Professoren
mit dem Nachweis des eigenen beflis¬
senen Konformismus um einschlägige
Fördermittel. Die zentralen Verfas¬
sungsorgane der Bundesrepublik, die
langjährig keinerlei Zuständigkeit für
Gedenkstätten und Museen erkennen
konnten, überbieten sich inzwischen
auf diesen Gebieten, nachdem sie die
darin liegenden Möglichkeiten dauer¬
hafter antikommunistischer Ideologi-
sierung des öffentlichen Lebens begrif¬
fen hatten. Der herrschende geschichts¬
ideologische Staatsdirigismus widerlegt
alle Phrasen von der vermeintlichen Li¬
beralität, Pluralität und aufklärerischen
Leitmotiven.
Die Geschichtsideologie und -politik
der deutschen Rechten wird dominiert
vom antikommunistischen, konserva¬
tiven, teils latent deutschnationalem
Ideengut der CDU, CSU, FDP, AfD
und anderer. Sie wird massenmedial
flankiert und multipliziert von „Bild“,
„Welt“, „FAZ“ teils „Zeit“ und anderen
Medien einschließlich Funk, TV, Film,
Online-Diensten etc. sowie fortgesetzt
und vervielfacht in Schulbüchern und
Angeboten der Stiftungen für politi¬
sche Bildung. Die konservative Rech¬
te erhält Beihilfe und wird im Nachtrab
und an den Flügeln unterstützt von der
Mehrheit der Führung und von Funk¬
tionsträgern der SPD, der wiederum
ein beträchtlicher Teil zumindest des
Führungspersonals der Gewerkschaf¬
ten mehr oder weniger folgt. Ähnliches
gilt im zunehmenden Maße von Grup¬
pierungen der Grünen ...
Die aus der Bundestagswahl 2013 her¬
vorgegangene Große Koalition verein¬
barte, die Abrechnung mit der DDR
fortzusetzen sowie einen Gedenktag
zur Erinnerung an Flucht und Ver¬
treibung einzuführen. Mit Letzterem
erfüllt sie Forderungen jener konser¬
vativen Kräfte, die sich jahrzehntelang
mit revanchistischen Parolen und Um¬
trieben Entspannung und Friedenssi¬
cherung in Europa widersetzten. Un¬
ter den Fittichen der Unionsparteien
und in Personalunion mit ihnen, jahr¬
zehntelang als rechtes Wählerpotenti¬
al politisch und finanziell gehätschelt,
haben die Vertriebenenverbände dreist
ihre nazistischen Erbschaften weit über
ein halbes Jahrhundert mitschleppen
können.
Die antikommunistische Grundorien¬
tierung der herrschenden Geschichts¬
ideologie ist Symptom und Teil der
geistigen Krise, die ihrerseits in den
scharfen sozialen Widersprüchen der
heutigen kapitalistischen Weltgesell¬
schaft wurzelt und diese - teils ent¬
hüllend, teils verzerrt und verschlei¬
ernd - widerspiegelt. Das Fehlen von
gesamtgesellschaftlichen Leitideen
und Perspektiven begleitet fortdau¬
ernde Massenarbeitslosigkeit sowie
die weiter wachsende Kluft zwischen
irrational anmutender Anhäufung von
Superreichtum und zunehmender, sich
verfestigender Armut. Die verheeren¬
den Ziffern fehlender Ausbildungs¬
und Arbeitsplätze für die junge Gene¬
ration in Ländern des Euro-Raumes
und darüber hinaus, sind alarmierende
Symptome der Gesellschaftskrise. Be¬
unruhigend sind der Unwille und die
Unfähigkeit zum dauerhaft friedlichen
Zusammenleben aller Völker und Staa¬
ten. Sie belegen auch ein Jahrhundert
nach 1914 die konstitutiv expansiven
und imperialen Tendenzen des Kapi¬
talismus. Die herrschende Geschichts¬
ideologie ist ein hauptsächliches Feld,
nach innen wie nach außen fortschritts-
und friedensfeindliche Traditionen und
Geisteshaltungen zu inspirieren sowie
damit weiterhin die Herrschafts- und
Gestaltungsansprüche von Großkapi¬
tal, verbürgerlichter Aristokratie und
modernem Militarismus sichern zu hel¬
fen.
1 Mail der Stiftung „Aufarbeitung der SED-
Diktatur“ vom 5. September 2013
2 Peter Glotz: Die deutsche Rechte. Eine
Streitschrift, Stuttgart 1989, S. 13
3 Ebenda, S. 14
(* Stark gekürzter Vorabdruck aus Marxis¬
tische Blätter 2_2 014. Auslieferung Mitte
März.)
Unsere Antwort an alle
Geschichts-Gauckler:
Harald Neubert
Europäische Nachkriegsordnung
West-Ost-Konflikt und
deutsche Zweistaatlichkeit
Essen, 2013,340 Seiten, 19,80 Euro
ISBN 9-783-910080-77-5
Erhältlich beim Neue Impulse Ver¬
lag, Hoffnungstr.i8, 45127 Essen,
Tel.: 0201-23 67 57
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Diktatur und Demokratie
im Zeitalter der Extreme.
Streiflichter auf die Geschichte
Europas im 20. Jahrhundert
Eine Ausstellung,
präsentiert
vom Institut für Zeit
geschichte Deutsch-
landradio Kultur und
der Bundesstiftung
wir Aufarbeitung der
SED-Diktatur
Institut für
Zeitgeschichte
Deutschlandradio Kultur
I BUNDESSTIFTUNG
AUFARBEITUNG
Vunchen-Bcrl
m unsere zeit
Kultur
Freitag, 28. Februar 2014 11
Der Filmemacher vom Ölberg
Manfred Vosz ist gestorben
Einer der „verbrannten Dichter“
Leonhard Frank und Würzburg
„Nahezu alle namhaften Autoren, die
seinerzeit emigrierten, im Ausland star¬
ben, Selbstmord begingen oder trotz
ihrer abenteuerlichen Schicksale wei¬
terlebten, sind hierzulande so gut wie
unbekannt. Wer kennt, beispielsweise,
die alten oder gar die neuen Werke
von Lion Feuchtwanger, Bru¬
no Frank, Leonhard Frank,
A.M. Frey, Hermann Kesten,
Annette Kolb, Heinrich Mann,
Alfred Neumann oder Alfred
Polgar?“
Das schrieb Erich Kästner
(„Die literarische Provinz“) im
Jahre 1950. Seine Klage hatte
aber Wirkung, einige der ge¬
nannten Autoren sind wieder
akzeptiert, gedruckt und wer¬
den gelesen. Leonhard Frank
(1882-1961) im ärmsten Würz¬
burger Milieu aufgewachsen,
hatte es besonders schwer in
seiner Heimatstadt. Durch
sein Buch „Die Räuberbande“
von 1914 schlagartig berühmt,
emigrierte er 1933, gelangte in
die USA. 1950 in die Bundes¬
republik zurückgekehrt, muss¬
te er feststellen, dass er litera¬
risch kaum noch wahrnehm¬
bar war. Die DDR war es, die
seine gesammelten Werke her¬
ausgab und ihn mit dem Nati¬
onalpreis ehrte.
In Würzburg nahm man sei¬
nen 1949 erschienenen Roman
„Die Jünger Jesu“ übel. So
nennt er eine Bande von Jun¬
gen, die unmittelbar nach dem Krieg in
der Manier von Robin Hood Umvertei¬
lungen vornimmt. Opfer sind Schwarz¬
händler, häufig solche mit Naziverbin-
dungen, wie überhaupt die Kontinuität
des Nazipersonals und der Neofaschis¬
mus Thema dieses Romans ist.
Damals waren die Würzburger so
schlecht auf ihren bekanntesten
Schriftsteller zu sprechen, dass der
Stadtrat sein Theaterstück „Karl und
Anna“ absetzen ließ.
Das hat sich geändert. Vom 4. bis
13. April werden über 100 Lese-Ver-
Hildesheim schmückte sich bis vor kur¬
zem mit dem Etikett „kleine Großstadt“.
2013 sackte die Einwohnerzahl unter
100 000, schmerzlich für das Stadtmar¬
keting. Die Spatzen pfeifen von den
Dächern, dass bei allen städtischen Pla¬
nungen im Hochbau stets die Unterneh¬
mensgruppe Lüder - Immobilien, Pro¬
jekte, Investment, Management - die
Beschlussvorgaben mit bestimmt. Jürgen
Meier hatte die kommunale Verflech¬
tung von Verwaltung und privaten In¬
vestoren in seinem fünften Hildesheim-
Krimi „Memories“ als Hintergrund des
Handlungsrahmens gewählt. Die Firma
Lüder sah sich in den handelnden Per¬
sonen erkannt und beleidigt.
Die erste Version wurde per Vergleich
beim Landgericht Hildesheim verboten
(UZ berichtete am 8. 2. 2013). Meier
korrigierte einige Passagen, verlegte
den Ort der Handlung von Hildesheim
nach Göttingen. Firmeneigentümer
Sebastian Lüder und sein Hausjurist
und Hildesheimer CDU-Vorsitzender
Frank Wodsack sahen sich erneut nicht
ausreichend verfremdet und beantrag¬
ten wiederum per einstweiliger Anord¬
nung das Vertriebsverbot des bereits in
erster Auflage in verschiedenen Buch¬
handlungen ausliegenden Werkes.
Nun hat das Oberlandesgericht in Celle
unlängst entschieden, dass man nicht
behaupten dürfe: Der junge Sebasti¬
an Lüder sei mit seinem Vater zerstrit¬
ten, habe seinem Vater angedroht, ihn
verhungern zu lassen; das Unterneh¬
men Lüder habe einen Hildesheimer
Radiologen dadurch geschädigt, dass
es dessen gesamtes Vermögen von
fast 2 Mio. Euro in den Sand gesetzt
habe; Sebastian Lüder sei ein gerisse-
anstaltungen in Würzburg und Umge¬
bung, aber auch in Leipzig und Köln,
unter dem Motto „Würzburg liest
ein Buch“ just den Roman „Die Jün¬
ger Jesu“ von Frank zum Würzbur¬
ger Stadtgespräch machen. Ein Kreis
von Buchhandlungen hat das organi¬
siert, zusammen mit der umtriebigen
Leonhard-Frank-Gesellschaft. Die
war auch eingespannt in die Vorberei¬
tung eines Symposiums am Wochen¬
ende 15./16. Februar in der Würzbur¬
ger Universität. Mit dem Thema Krieg
und Nachkrieg ist das Themenfeld weit
gespannt. Die Konferenz zählt zu der
ersten in der Reihe wissenschaftlicher
Veranstaltungen aus Anlass des 100.
Jahrestags des Ersten Weltkrieges im
laufenden Jahr. Literaturwissenschaft¬
ler Prof. Dr. Wolfgang Riedel, Vizeprä¬
sident der Julius-Maximilian-Univer-
ner Hedgefonds-Jongleur, bewege sich
geschäftlich am Rande der Legalität;
die Unternehmensgruppe Lüder habe
mit einem Projekt in Krefeld die Stadt
Krefeld und den Stadtrat betrügen und
prellen wollen; Herr Wodsack habe sich
als Führer und Unfallverursacher an¬
lässlich einer Trunkenheitsfahrt im
Straßenverkehr unerlaubt vom Unfall¬
ort entfernt, sei als Führer eines PKW
vor einer Polizeistreife geflüchtet und
im Badezimmer seines Bungalows von
der Polizei verhaftet worden; wegen
Fahrerflucht sei er von einem Gericht
zu einer Bewährungsstrafe verurteilt
worden. So weit Auszüge aus dem Ge¬
richtsurteil vom 6. Februar 2014.
Dem Lokalkrimiautor Jürgen Mei¬
er wurde bei Androhung von 250 000
Euro untersagt, selbiges zu behaupten.
Das hat er zwar in seinem Roman „Me¬
mories“ mitnichten getan. Allerdings
werden seine Kunstfiguren Jakob Bla¬
sewitz und Franz Wollmann so nahe
als identisch mit den realen Personen
Sebastian Lüder und Frank Wodsack
gewertet, dass die von Meier vorgetra¬
genen Behauptungen den realen Per¬
sonen zugeschrieben werden können,
so die Richter des OLG. Dass Meier
all das nicht behaupten darf, heißt aller¬
dings keineswegs, dass „Behauptetes“
nicht stimmt. Das zu prüfen, hat sich
das Gericht nicht zugemutet, sich statt-
dessen auf den von Meier und Lüder
erstinstanzlich vereinbarten Kompro¬
miss zurückgezogen, in dem der Autor
sich verpflichtet hatte, die Personen sei¬
nes Romans so zu verfremden, dass sie
für den Leser unkenntlich würden. Bei
der vom Gericht vorgenommenen Prü¬
fung stellten die Richter ausschließlich
sität, aber auch der Kulturreferent der
Stadt, Muchtar Al Ghusain, SPD, OB-
Kandidat bei den Kommunalwahlen
im März, begrüßten die Teilnehmerin¬
nen und Teilnehmer im ehrwürdigen
Oswald-Külpe-Hörsaal. Prof. Riedel
erinnerte auch an die wissenschaft¬
lichen Glanzzeiten der Uni. Wenige
Meter entfernt hatte Wilhelm Conrad
Röntgen 1895 die nach ihm benann¬
ten Strahlen entdeckt. Er betonte die
Aktualität des Themas, zumal die wis¬
senschaftliche Untersuchung des Ers¬
ten Weltkriegs häufig im Schatten des
Zweiten stattfinde.
Vorwiegend junge Wissenschaftler
stellten ihre Arbeit vor. Katharina Ru¬
dolph, Offenbach, untersuchte Franks
Roman „Der Mensch ist gut“. Dr. Ju-
dit Hetyer, Pecs/Ungarn, verglich die
„Deutsche Novelle“ mit anderen Faust-
Motiven in der deutschen Literatur. Dr.
Norman Ächtler, Gießen, referierte
über das Lagererlebnis in der Lyrik von
Johannes Bobrowski und Günter Eich.
Dr. Süselbeck, Marburg, bewertete die
beiden Romane von Ludwig Renn, de¬
nen dieses Symposium den Titel entlie¬
hen hatte. Das Thema war der angeb¬
liche Franktireur-Krieg in Belgien, ein
Mythos, der die deutschen Massaker
zu rechtfertigen hatte. Hervorzuheben
ist der Vortrag von Markus Hien („Zu
einem Grab kam er nie. Gert Ledigs
Poetik des Erinnerns“), über die drei
Romane dieses Autors („Stalinorgel“,
1955, „Vergeltung“, 1956, und „Faust¬
recht“, 1957), eines Kommunisten,
die nach ihrer Neuauflage eine neue
Wertschätzung erfahren. Dr. Ulrich
Dittmann von der Oskar-Maria-Graf-
Gesellschaft, München, erörterte den
Krieg als biografisches Motiv und lite¬
rarisches Thema bei Graf. Weitreichen¬
de Aufschlüsse bot der Vortrag von Mi¬
chael Storch (Uni Würzburg) „Wie Za¬
rathustra in die Schützengräben kam:
nietzscheanische Legitimationen des
Ersten Weltkriegs“. Und schließlich
unternahm es der Jurist Prof. Dr. Eric
Hilgendorf, die rechtlichen Implikatio¬
nen von Rache und Widerstand bei den
„Jüngern Jesu“ zu prüfen. Klaus Stein
formal fest, dass die Verfremdung nicht
hinreichend sei. Hätte Meier vor einem
Jahr dem Vergleich nicht zugestimmt,
wäre eine inhaltliche Prüfung möglich
geworden, die Meier nun selbst durch
den Vergleich verhindert hätte.
Mehrere Prozessbeobachter äußerten
den Verdacht, der Vorsitzende Richter
habe sich um eine inhaltliche Wertung
der Sache gedrückt und den Vergleich
vorgeschoben. So habe der Prozessver¬
lauf Anschauungsunterricht in Klas¬
senjustiz erteilt. Gleichwohl ließ der
leitende Richter Wiese in der mündli¬
chen Verhandlung am 21. Januar durch-
blicken, dass er das Persönlichkeits¬
recht der Kläger Lüder und Wodsack
eher hinter der Kunstfreiheit zurück¬
stehend gewertet hätte, ihm allerdings
formal die Hände gebunden seien.
Durch die detaillierte Nennung der in-
kriminierten Passagen im öffentlich er¬
gangenen Urteil hat Lüder allerdings
einen Pyrrhussieg errungen, da in der
öffentlichen Meinung den Klägern all
diese vom Gericht untersagten Be¬
hauptungen zugerechnet werden. Die
Unterlegenen haben angekündigt, all
das, was man gegenüber der Unter¬
nehmensgruppe Lüder nicht behaup¬
ten darf, einer breiten Öffentlichkeit in
Hildesheim zu präsentieren. Inwieweit
die Firma an Hedgefonds beteiligt ist,
welche Rolle sie in Krefeld oder Gel¬
senkirchen gespielt hat oder auch wie
der Planungsprozess beim ehemaligen
Klinikum-Standort am Hildesheimer
Weinberg verlief, all das werden die
Unterlegenen durch die Unterstützung
der Gewerkschaft ver.di, die Meier
Rechtsschutz gewährte, in öffentlichen
Debatten thematisieren. UP
Er kam vom „Ölberg“. Das ist der
Stadtteil Elberfelds, wo die Petrole¬
umlämpchen noch brannten, als die
anderen, „besseren“ Teile schon längst
elektrischen Strom hatten. Daher der
Name. Um 1900 lebten dort Hunder¬
te von Menschen auf engstem Raum,
man spricht von 450 pro Hektar im
Vergleich zu vielleicht 15 auf derselben
Stadtfläche der „vornehmen“ Quadrat¬
meter. Sein Vater war Bügler, Grete, die
Mutter, saß an einem Band. Er ging bei
Bayer in die Lehre als Chemielaborant.
Hat die Schwebebahn gestrichen. Wer
einmal unter den mächtigen Pfeilern
stand, kann sich vorstellen, dass man
den Aufenthalt dort oben mit Eimer
und Waschei nicht so schnell vergisst
und schon gar nicht als vorheriger Ent¬
roster. Er schaffte es gegen alle damali¬
gen Zeitumstände (2,3 Prozent der Stu¬
dierenden aus Arbeiterfamilien) an die
Werkkunstschule Wuppertal und über
sie an die Kunstakademie in München.
Seine Freunde aus der dj 1-11, einer be¬
merkenswerten Abteilung der alten Ju¬
gendbewegung, nannten ihn Puck.
So lernte ich ihn kennen mit erstaun¬
lichen sozialen Gemeinsamkeiten und
politisch ähnlicher Denke. Er trat in
den damaligen Sozialistischen Deut¬
schen Studentenbund (SDS) ein, als
er hörte, dass dort auf Druck des SPD-
Vorstandes - ich hab den späteren
Schmidt-Schnauze als Wortführer in
Erinnerung - zwei Leute ausgeschlos¬
sen werden sollten, die an der Uni den
sozialistisch argumentierenden „Stu¬
dentenkurier“ vertrieben - und er tat
das nur, um eine Stimme dagegen zu
halten. Das war um die Zeit des Godes¬
berger Programms der SPD und seiner
Schwärung. Er wurde bald darauf in
den Bundesvorstand des SDS gewählt.
Er rückte dem hessischen General¬
staatsanwalt Fritz Bauer auf die Pelle,
einem weithin geschätzten Antifaschis¬
ten, einer der Ausnahmen in hohen
Ämtern des CDU/USA-Staates BRD.
Der versuchte ihn zu beruhigen.
Aber sein einziges Argument war letzt¬
lich, dass Willy Brandt einen solchen
Frontwechsel niemals gutheißen würde.
Irgendwann hatte er die Faxen dicke und
stellte Aufnahmeantrag in die KPD -
also in die von Rosa Luxemburg und
Karl Liebknecht und Ernst Thälmann.
In München im Occam-Filmstudio mit
dem Betreiber Fritz Falter gab es eine
Woche des antifaschistischen Films,
absolut ungewöhnlich zu dieser Zeit.
Sie war sein Werk - wie auch viele Jah¬
re später die Kulturveranstaltungen
zum Internationalen Dachau-Treffen
im Circus Krone und parallel dazu im
Schwabingerbräu.
Zwischen diesen Zeitabständen ent¬
deckten wir, fast zufällig, dass wir beide
unabhängig voneinander an einer neu¬
en Zeitschrift für Literatur bastelten,
gegen das Adenauer-Gesäusel, für die
Vergessenen, an den Rand Gedrängten
und vor allem für die vorhandenen und
erhofften jungen Neuen, die den Buch¬
staben und soziale Wirklichkeit nicht
für Mars und Venus halten. Wir haben
uns zusammengeschmissen und für das
Traumgebilde einen ebenso Verrückten
gefunden, der auch noch Geld hatte.
Es war der Mund- und Fußmaler Ar¬
nulf Erich Stegmann. Er wollte nie,
dass man darüber redet. Mit ihm im
Rücken sind wir viele, viele Kilometer
gefahren für unseren Traum und für die
Gewinnung der Mitstreiter. Im Sep¬
tember 1965 erschien die erste Num¬
mer. Das Ding hieß dann kürbiskern
1/65. Hat dann seine eigene Geschichte.
1984 starb Erich, 1986 der kürbiskern.
Ausgehend von dem mir unvergess¬
lichen Franz Xaver Stützinger, einem
Drucker und Kamerabegeisterten,
hatten wir und zwei, drei mehr sich zur
Münchner Filmgruppe „das team“ zu¬
sammengetan. Dessen erste 10-minüti-
ge SlapstickLehrfilmProvoStummfilm-
pantomime „Die Grube“ wurde in der
späten Adenauer-Ära zu einem wah¬
ren Aufklärungswunder als Zündker¬
ze für Diskussionen unter Arbeiterju¬
gendlichen, ob es tatsächlich Klassen
gibt oder nicht. Das war aber „mein“
Film als Regisseur und Endentscheider.
(Muss ja auch mal gesagt werden.) In
meiner zweiten Filmpantomime nach
gleichem Strickmuster, leider einem
Totalflop, („Die Ente“) ist Manfred
Vosz zu sehen als wüster Kommissar
auf einer Kolchose - dies in l:l-Um-
setzung von Bildzeitungskeulen.
In der Folgezeit hat er sich mehr und
mehr dem dokumentarischen Fil¬
men zugewandt, ich eher dem Spiel¬
film. Seine „Deutsche Kirchweih“ von
1968, dem Nazi-Untergrund und Un¬
tergründigem, hier im Fränkischen auf
die Spur gehend, war ein erster Ertrag.
Und gleich mit einer Silbernen Taube in
Leipzig versehen. Und Nummer Zwei
war „Stadtführer für Bonn und Umge¬
bung“, gleiches Thema, aber höherge-
schossig. Preis der Internationalen Jury
in Oberhausen. Dann ging er noch an
die Schneidetische beim Bayerischen
Fernsehen, hat dort gejobbt und ge¬
lernt. Ich hatte in meiner zurückliegen¬
den auch Schauspielerzeit etlichen Cut¬
terinnen (es gab damals kaum Männer
dort) über die Schulter geschaut. Aber
ihm am Schneidetisch zuzusehen war im
Ablauf vollendetes Handwerk zu sehen.
Es gibt ja den berühmten grünen Dau¬
men. Was er zum Beispiel mit seinen
Fingern unter den Motorhauben seiner
alten Karren gemacht hat, entzieht sich
meiner Kenntnis und Benennung. Sie
fuhren jedenfalls immer und immer wie¬
der. Manchmal hatte ich das Gefühl, der
muss nur missmutig reinschauen.
Sein bekanntester Film ist vermutlich
„Goethe in D.“ mit dem Dachau-Häft¬
ling Erwin Geschonnek dem Großen
als Fremdenführer, 1986 mit dem Bun¬
desfilmpreis ausgezeichnet. Hier ist
nicht der Ort, alle seine Filme aufzu¬
zählen, das kann das Internet. Es gibt
zwei durchgehende inhaltliche Strän¬
ge in ihnen - sich nicht abzufinden mit
dem Neofaschismus und für die inter¬
nationale Solidarität der Unteren.
Er hatte in den Sechzigern mit der bil¬
denden Künstlerin Dietlind Blech ei¬
nen gut dotierten Wettbewerb für ein
Wandbild in einer Schule in Gevels¬
berg gewonnen und ausgeführt. Mit
dem Preisgeld kauften sie sich einen
Döschöwo und fuhren mit dem klei¬
nen Schaukler und Racker von der
Südspitze Spaniens aus ausgiebig rund
ums Mittelmeer. Vielleicht ist da die
Grundlage entstanden für seine späte¬
re Verbundenheit mit der arabischen
Kultur. Es war 1972 nicht alltäglich,
dass ein westdeutscher Filmer zu den
Palästinensern geht und zeigt.
Irgendwann kam der Ruf an die Hoch¬
schule Kassel zum Ausbau der Medien¬
abteilung Sparte Film. Ich kann das nicht
beurteilen, aber ich denke, das hat er ge¬
tan. International - also damals „Dritte
Welt“ - war er eine Nummer. Zehn Jahre
hat er in Kuba Dokumentaristen aus ganz
Lateinamerika seine Erfahrung weiterge¬
geben. Er war in zahlreichen Jurys von
Filmfestivals „südlicher“ Länder gefrag¬
tes Mitglied, auch das Goethe-Institut
hat das begriffen und ihn rumgeschickt.
Bloß hier, bei den Eingeborenen und ih¬
ren Medien bzw. ihren Pferdeklappen,
hat das kaum interessiert. 2002 hat er in
Stuttgart für das Institut für Auslandsbe¬
ziehungen noch die große Veranstaltung
„Der neue iranische Film“ beraten.
Das heißt heute alles Globalisierung,
tritt als Sachzwang auf und ist nichts
anderes als der Anspruch auf globale
Ausbeutung. Der Elberfelder vom Öl¬
berg dagegen fordert Internationalis¬
mus als Anspruch auf globale Gegen¬
wehr für Zukunft. Er war ein Macher,
aber ein Macher mit Vision, ganz gegen
die Philosophie eines Schmidt-Schnau¬
ze - wie schon damals im SDS. Wenn er
eine Idee hatte, suchte er nach Möglich¬
keiten, sie zu verwirklichen. Er konnte
dabei Leute ausnutzen bis an die Gren¬
ze der Schamlosigkeit, auch das gehört
zur Wahrheit. Aber wahr ist auch, dass
er eventuell für dieselben Leute in Not
bis an die Grenzen der eigenen Mög¬
lichkeiten gegangen wäre. Mit Not mei¬
ne ich Notfall. Ich kenne zwei Leute, die
seiner Entschlossenheit in einem sol¬
chen Fall ihr Leben verdanken.
Nun ist er in Düsseldorf gestorben.
Manfred Vosz, Filmemacher und mehr.
Salud, mein Brauner an der anderen
Seite der Deichsel. Hannes Stütz
In der DDR wurde Leonhard Frank mit einer
Briefmarke geehrt.
Pyrrhussieg für Immobilien-Hai
Das Verbot eines Hildesheim-Krimis ist selbst ein Krimi
12 Freitag, 28. Februar 2014
Vier-Parteien-Konferenz
unsere zeit m
Der Vernunft gegen ihre Feinde beistehen
Die Vier-Parteien-Konferenz am 15. und 16. Februar war ein voller Erfolg • Auszüge aus den Referaten
D ie Zeitung vom Letzebuerger
Vollek der Kommunistischen
Partei Luxemburgs drückte am
18. Februar in ihrem ganzseitigen Bei¬
trag auf Seite 2 die großartige Stim¬
mung während der mehr als zwei¬
stündigen Demonstration von über
dreihundert Menschen aus der poli¬
tischen Linken am 15. Februar durch
die Aachener Innenstadt begeistert aus.
Und für die DKP konnten die Rück¬
meldungen der drei Parteien, die wir
zur Zusammenkunft eingeladen hat¬
ten, nach Tagungsende nicht schöner
sein: „Phantastische Stimmung, hohes
Debattenniveau, tolle Demo“ - so die
Aussagen zu dieser ungewöhnlichen 9.
Ausgabe der seit 2006 stattfindenden
Vier-Parteien-Konferenz.
Denn erstmals war eine der Konferen¬
zen von einer öffentlichen Aktion be¬
gleitet. Die Demonstration, zu der „alle
friedliebenden Menschen“ aufgerufen
waren, war eine Idee der DKP, die da¬
mit ihren erneuerten Willen zu öffent¬
lichem Auftreten und zu einem gesun¬
den und selbstbewussten Verhältnis zur
eigenen Identität belegen wollte und
konnte. Die Partei der Arbeit Belgiens
(PVDA/PTB), die Neue Kommunisti¬
sche Partei der Niederlande (NCPN)
und die KP Luxemburgs hatten dem
ambitionierten Konzept zugestimmt
und waren mit einer Reihe von Ge¬
nossinnen und Genossen angereist, die
eigens nur zur Demonstration kamen,
während an der anschließenden Kon¬
ferenz dann jeweils zehn Mitglieder je¬
der Partei teilnahmen. Für die deutsche
Seite war die Entfernung nach Aachen
vielfach größer als für die internationa¬
len Gäste, dennoch nahmen DKP-Mit-
glieder von Rhein und Ruhr in ansehn¬
licher Zahl teil.
Für die DKP war es die erste von ihr
initiierte und noch dazu allein von
Kommunistischen Parteien beworbe¬
ne Demonstration seit mindestens 25
Jahren. Dabei ging es nicht etwa da¬
rum, nicht gemeinsam mit anderen
Kräften zu demonstrieren, sondern
vielmehr wollten wir die Initiative zur
ersten Friedensaktion in diesem Jahr
des vielfältigen Gedenkens an das Los¬
treten des Ersten Weltkriegs durch das
deutsche Kaiserreich ergreifen: als ei¬
genständiger Teil des Ganzen, und un¬
ter ganz natürlichem Bezug auf die
weiteren Aktionen der Friedensbewe¬
gung im Jahr 2014, allen voran die Os¬
termärsche. Und diese Orientierung
war richtig und wurde ein Erfolg! Der
Einladung zur Teilnahme folgten si¬
cher nicht sehr viele Anwohnerinnen,
dafür aber gut sichtbar örtliche Frie¬
densbewegte wie vom Aachener An¬
tikriegsbündnis (AKB) und der Partei
„Die Linke“. Eine Handvoll Mitglieder
der KP Griechenlands waren genauso
unter den Demonstrierenden wie ein
gutes Dutzend von Genossinnen und
Genossen der KP der Türkei, aus den
TKP-Organisationen in Deutschland
und den Niederlanden.
Jens Wegener, Kreisvorsitzender der
DKP Aachen, hielt den Redebeitrag
bei der Auftaktkundgebung, und auch
während der Demonstration selbst
warb er für ein aktives Eingreifen
der Menschen in den Friedenskampf.
Die Zwischenkundgebung wurde von
der NCPN und der KPL und die Ab¬
schlusskundgebung dann von der PTB
und der DKP - mit einem Redebei¬
trag von Patrik Köbele - geleistet. Für
die Weitgereisten hatte die Aachener
Kreisorganisation Kaffee und Brötchen
vorbereitet - nur eine der vielen Auf¬
merksamkeiten der Aachener Kreisor¬
ganisation der DKP für ihre internati¬
onalen Gäste.
Im nahe gelegenen Konferenzzentrum
ging im Anschluss an die Demonstra¬
tion die Konferenz los. Auch dort hat¬
ten die Gastgeber alles bestens vorbe¬
reitet und sogar eine vierseitige Infor¬
mation über die Stadt Aachen, Karl
den Großen und den Weg in den Ers¬
ten Weltkrieg vorbereitet. Den Auf¬
takt des theoretischen Teils machte
Daniel Bratanovic, der einen fakten-
und kenntnisreichen Vortrag über die
Gründe hielt, wegen derer es vor hun¬
dert Jahren zum Krieg kam. Keines¬
wegs waren die Völker „in den Krieg
geschlittert“, sondern handfeste Grün¬
de seien dafür maßgebend gewesen.
Letztlich wohnt dem Imperialismus
der Krieg inne, so der Historiker und
„junge Welt“-Redakteur.
Hans-Peter Brenner hielt den Beitrag
der DKP. Die Thematik des Bruchs
innerhalb der Zweiten Internationa¬
le führte im Anschluss zu zahlreichen
Wortbeiträgen, die sich im Wesentli¬
chen um den Opportunismus damals
und heute drehten.
Am zweiten Tag sprachen Aloyse Bis¬
dorff („Beginn und Ende von Krie¬
gen“) und Uli Brockmeyer („Der
Kampf um die Neuaufteilung der
Welt“) für die KP Luxemburgs. Aloy¬
se Bisdorff erinnerte daran, dass noch
vor dem Einmarsch der kaiserlichen
Truppen in Belgien die luxemburgi¬
schen Eisenbahngleise besetzt worden
waren. Demnach begann der Krieg
schon am 1. August 1914 - er endete
indes mit der Bezahlung der letzten
Entschädigungsrate durch Deutschland
am 30. Oktober 2010. Uli Brockmeyers
Beitrag zeigte die beklemmende Aktu¬
alität der Konferenzthemen auf: Schon
wieder gehe es um eine Neuaufteilung,
dieses Mal mit Hilfe der „eindeutig mi¬
litaristischen EU“.
Bert de Beider redete für die Partei
der Arbeit Belgiens über die „Ent¬
wicklung der Friedensbewegung aus
kommunistischer Sicht“. Dabei ging
er auf das Anwachsen der Friedens¬
bewegung nach dem 2. Weltkrieg ein,
insbesondere durch den Kampf ge¬
gen den Atomtod. Heute müsse man
in Belgien zwischen vier Friedens¬
strömungen unterscheiden: eine pro¬
imperialistische, eine kleinbürgerlich¬
pazifistische, eine gemäßigt antiimpe¬
rialistische und eine revolutionäre
antiimperialistische.
Ein praktischer Teil schloss sich am
Sonntagnachmittag an, wo Willi Hoff¬
meister, DKP-Mitglied und Aktivist
des Ostermarsches Ruhr seit mehr als
fünfzig Jahren, den einleitenden Bei¬
trag leistete. Er spannte den Bogen
vom „Stockholmer Appell zur Äch¬
tung der Atomwaffen“ bis zum dies¬
jährigen Ostermarsch, der an Karfrei¬
tag in Gronau beginnen wird - wegen
der unmittelbaren Grenznähe eine gute
Gelegenheit, eine gemeinsame Aktion
von DKP und NCPN zu machen, so ein
Vorschlag der DKP in der anschließen¬
den Debatte. Darüber hinaus wurden
Thesen für eine Forderungsplattform
diskutiert, die von Vertretern der Par¬
teien in Kürze abschließend erarbeitet
werden.
Die NCPN hatte keinen eigenen Re¬
debeitrag vorbereitet - das Land war
nicht am Ersten Weltkrieg beteiligt.
Keineswegs neutral aber waren die nie¬
derländischen Genoss/inn/en, die sich
genauso rege an den Debatten betei¬
ligten wie alle anderen auch. Die vier
Parteien hatten im Vorfeld beschlossen,
der Diskussion mehr Raum als früher
zu geben, was auch gut umgesetzt wur¬
de. Die drei Übersetzer/innen hatten
auch hierbei jede Menge Arbeit zu
leisten.
Der historische wie der aktuelle Kampf
gegen den Krieg, so schloss Willi Hoff¬
meister, führt zu Brechts „Gedächtnis
der Menschheit“:
Und doch wird nichts mich davon
überzeugen,
dass es aussichtslos ist,
der Vernunft gegen ihre Feinde
beizustehen.
Genau dafür wird eine Kommunisti¬
sche Partei gebraucht.
Aloyse Bisdorff (KPL):
Parallelen nach hundert Jahren
Der hundertste Jahrestag des Beginns
des ersten Weltkrieges gibt Anlass zu
einigen Vergleichen bezüglich der geo-
politischen und strategischen Lage von
damals mit der heutigen. So versteigt
sich die britische Wochenzeitschrift
„The Economist“ in einem aktuellen
Leitartikel zu folgendem Parallelismus:
Die heutigen USA seien das Großbri¬
tannien von damals, eine Supermacht
auf dem Abstieg, unfähig, die globale
Sicherheit zu garantieren. Ihr größter
Handelspartner China würde die Rolle
Deutschlands spielen, das damals der
größte Handelspartner Englands war,
einer neuen Wirtschaftsmacht, sich
nationalistisch aufrüstend und seine
Streitkräfte rasch aufbauend.
Das moderne Japan sei Frankreich, ein
Alliierter des schwankenden Hegemo¬
nen und eine absteigende Regional¬
macht. Für Russland hat „The Econo¬
mist“ keinen Vergleich gefunden, weil
man sonst ein Land hätte bezeichnen
müssen, in welchem im Konfliktfalle
die proletarische Revolution ausbre¬
chen würde.
Der „Economist“ macht allerdings das
Zugeständnis, daß der Vergleich nicht
ganz stimmt, da China im Gegensatz
zu Kaiser Wilhelm dem Zweiten keine
territorialen Expansionsziele hat. Tat¬
sache aber ist, dass die USA - wie da¬
mals England - ihre global dominieren¬
de Stellung halten und sichern möch¬
ten, hauptsächlich durch überlegene
militärische Mittel, welche dauernde
große Rüstungsausgaben erforderte.
Der Erste Weltkrieg begann nach über
40 Jahren Frieden in Europa, und die
Erinnerung an das Hineinschlittern
in diese Katastrophe lässt daher auch
heute wieder berechtigte Kriegsängste
aufleben. Das umso mehr, als die ähn¬
lich lange Verhütung eines neuen Welt¬
konfliktes nach dem Zweiten Weltkrieg
der Existenz einer großen, strategisch
gleichwertigen Friedensmacht zu ver¬
danken ist, die es heute nicht mehr gibt.
Der Zusammenbruch der Sowjetuni¬
on hat sofort die Kriegskräfte wieder
entfesselt und den ersten Angriffskrieg
der NATO gegen Jugoslawien möglich
gemacht, und auch die Etablierung der
USA als einzige Hegemonialmacht ge¬
bracht. Der dem Zusammenbruch vor¬
ausgegangene Kalte Krieg wird in den
USA öfters als eigentlicher „Dritter
Weltkrieg“ bezeichnet, den die USA
dank des Rüstungswettlaufs gewonnen
haben.
Mit diesem globalen und endgültigen
Sieg sei „das Ende der Geschichte“ ge¬
kommen. Die Entwicklung der mensch¬
lichen Gesellschaft könnte auf dem
Stadium des Kapitalismus eingefroren
werden, da die Kernmacht dieses Sys¬
tems die Mittel hätte, jede weitere ge¬
sellschaftliche Entwicklung entweder
mit militärischem Eingriff, gezielten
Morden oder wirtschaftlichem Druck
und Korruption abzuwürgen.
Das strategische Ziel der USA müsse
darin bestehen, dafür zu sorgen, daß
kein Land oder keine Ländergruppe -
ob sozialistisch oder kapitalistisch -,
jemals die Fähigkeiten erlangen kann,
die Vorherrschaft und D omination der
USA herauszufordern. Dazu müssten
die USA stets eine große militärische
Überlegenheit besitzen und die Fähig¬
keit der „Power projection“ überall auf
der Erde. (...)
Seit dem Ende des Kalten Krieges wa¬
ren die USA in mehr als der Hälfte der
Zeit in militärische Interventionen ver¬
wickelt. Neben Afghanistan und Pakis¬
tan in vielen kleinen Kriegshandlungen
in einem Rhythmus von je einer in 16
Monaten. Doch die kapitalistische Fi¬
nanz- und Wirtschaftskrise sowie die
wachsenden Staatsschulden und die
großen Haushaltsdefizite zeigen Gren¬
zen auf für lang andauernde Kriegsein¬
sätze. In immer kürzeren Zeitabstän¬
den stoßen die US-amerikanischen
Staatshaushalte an die Obergrenze
der erlaubten Staatsverschuldung und
müssen diese dann immer wieder um
mehrere tausend Milliarden Dollar an¬
heben.
Das geschah auch wieder im Febru¬
ar 2014, sonst hätten die Rechnungen
nicht mehr bezahlt werden können.
Schon vor über einem Jahr wurden die
USA in ihrer Bonität herabgestuft. (...)
Aber da man weder den potentiellen
Gegnern, noch den Bündnispartnern
traut, haben die USA ein weltweites
Spionage- und Abhörsystem aufgebaut,
welches nicht nur auf militärische, son¬
dern auch auf wirtschaftliche Belange
ausgerichtet ist.
(...) Da die Republikaner Steuererhö¬
hungen für Reiche noch mehr hassen
als eine Kürzung der Militärausgaben,
ist auch von der Einnahmeseite keine
Lösung für den defizitären Staatshaus¬
halt zu erwarten. Das weitere Gelddru¬
cken ruiniert den Dollar als Weltwäh¬
rung und zwingt China als jetzt grö߬
te Handelsmacht zur beschleunigten
Internationalisierung seiner Währung,
des Renminbi. (....)
Die wirtschaftlichen und finanziellen
Schwierigkeiten der USA, welche ih¬
nen die Rolle des Weltgendarmen im¬
mer mehr erschweren, verlangen nach
einem globalstrategischen Umdenken,
von dem der Schwenk Obamas in den
pazifischen Raum ein wesentlicher
Aspekt ist. Dies wird ergänzt durch
die Entstehung eines größeren Wes¬
tens, eines amerikanisch-eurasischen
Raums, gelegen in der nördlichen Hälf¬
te oberhalb des 30. Breitengrades un¬
ter Einbeziehung Russlands. Dies wür¬
de russische Alleingänge und eine zu
enge Bindung zwischen Russland und
China verhindern, und die „Schanghai-
Organisation für Zusammenarbeit“, der
China, Russland, Kasachstan, Tadschi¬
kistan, Kirgisien und Usbekistan ange¬
hören, würde auseinanderdividiert.
Eine Zone des amerikanisch-eurasi¬
schen Raums würde, mit Ausnahme
der Türkei, nur Länder umfassen, in de¬
nen christliche Religionen dominieren,
und könnte die frühere Jahrhunderte
lange Domination der Erde durch die¬
se Länder über viele Jahre weiter be¬
stehen lassen. Dieser Plan stammt aus
dem Buch „Strategie Vision, America
and the Crisis of the Global Power“ des
früheren Nationalen Sicherheitsbera¬
ters der USA, Zbigniew Brzezinski, frü¬
her einer der schärfsten kalten Krieger.
Was jetzt die gestellte Frage angeht, ob
die EU heute ein Kriegstreiber ist und
als imperialistischer Block auftritt, so
braucht man bloß einen Blick auf die
Karte der militärischen Rüstung zu
werfen. Weder einzelne EU-Länder
noch die EU als Ganzes - wenn man
sich auch politisch einig wäre - besitzen
die militärischen Fähigkeiten, größere
militärische Konflikte mit mehreren
hunderttausend Soldaten durchzuste¬
hen. Sie können höchstens als Hilfs¬
truppen der USA dienen, wie in Afgha¬
nistan oder im Irak in Form der Koaliti¬
on der Willigen. Da, wo sie selbstständig
tätig werden, wie England oder beson¬
ders Frankreich im Krieg gegen Libyen,
stoßen sie rasch an die Grenzen ihrer
militärischen und finanziellen Fähigkei¬
ten. Ohne die Nutzung der präzisen Sa¬
tellitenaufklärung, welche die USA zur
Verfügung stellten, wäre die Interven¬
tion praktisch blind gewesen.
Das bedeutet nicht, dass der Wille für
militärische Abenteuer nicht vorhan¬
den wäre. Aber es fehlt die strategi¬
sche Weitsicht, die Analyse der Konse¬
quenzen. Daher muss man jetzt, nach¬
dem man in Libyen die Islamisten an
die Macht gebombt hat, die gleichen
Kräfte aus wirtschaftlichen Gründen
in mehreren Ländern südlich der Sa¬
hara bekämpfen, und auch hier kann
Frankreich allein die militärische Lage
nicht meistern.
Trotzdem hätte man auch liebend gern
militärisch in Syrien interveniert, hätte
nicht Obama beschlossen, vorher noch
den USA-Kongress befragen zu wollen.
Man muss darauf hinweisen, dass sich
besonders der französische Außenmi¬
nister Fabius als militärischer Scharf¬
macher benimmt. Vielleicht bekommt
er demnächst vom deutschen sozialde¬
mokratischen Genossen im Amt des
Außenministers Schützenhilfe.
Dazu würde sich die Ukraine eignen.
Nach Osten sind die geographischen
Grenzen der EU ja noch nicht definitiv
geschlossen. Herr Putin sähe sich dann
genötigt, eine stärkere Bindung an Chi¬
na zu vollziehen, wenn die EU-Suche
nach neuem Lebensraum weiterginge.
Und das wäre globalstrategisch gese¬
hen eine Katastrophe für den Westen.
m unsere zeit
Vier-Parteien-Konferenz
Freitag, 28. Februar 2014
Bert De Beider (PVDA/PTB):
Forderungen für den Frieden
Vorschlag für eine Forderungsplatt¬
form in 10 Punkten, um eine anti-im¬
perialistische Friedensarbeit in Europa
zu erarbeiten:
1. Keine einzige Teilnahme an interna¬
tionalen Interventionen, weder im Na¬
men der NATO, der EU, einer „coaliti-
on oft he willing“ noch der USA. Die
sofortige Rückziehung aller unserer
Truppen aus jeglichen ausländischen
militärischen Interventionen. Strikte
Respektierung der Souveränität der
Staaten, wie es in der Charta der Verein¬
ten Nationen festgelegt ist. Wir richten
uns entschieden gegen die „humanitäre“
Rechtfertigung und die Idee der „Ver¬
antwortlichkeit um zu schützen“ („Re-
sponsibility to protect“) als Rechtferti¬
gung für ausländische Interventionen.
Wir richten uns auch gegen andere For¬
men von externem Druck und Unter¬
grabung der Souveränität, wie z.B. öko¬
nomische Embargos und Sanktionen.
2. Ausstieg unseres Landes aus der
NATO. Auflösung der NATO. In der
Übergangsphase muss unser Land sei¬
nen Beitrag an der NATO auf ein strik¬
tes Minimum beschränken.
3. Rückzug unseres Landes aus allen
militärischen EU-Initiativen wie dem
Euro-Corps, den Battle Groups und
der European Defense Agency (EDA).
Wir weisen jede Aufgabe eines militä¬
rischen Ausbaus und Strategie zurück,
die im Vertrag von Lissabon und an¬
deren fundamentalen Dokumente der
EU verankert sind. Während der Über¬
gangsfase muss sich unser Land bei den
militärischen Europäischen Initiativen
auf ein striktes Minimum beschränken.
4. Abbau nuklearer Bewaffnung. So¬
fortiger Rückzug US-amerikanischer
Kernwaffen aus unserem Land. Gesetz¬
liches Verbot von Kernwaffen auf dem
Gebiet unseres Landes. Unterstützung
von Verträgen, die kernwaffenfreie Zo¬
nen einrichten und eines Vertrags der
Kernwaffen generell verbietet.
5. Kein Kauf von neuen Gefechtsflug¬
zeugen F-35 oder anderen. Stoppt die
Entwicklung, den Kauf und die Instal¬
lation allen offensiven militärischen
Materials - einschließlich der schein¬
bar defensiven Projekte, die faktisch
Bestandteil einer militärischen offen¬
siven Strategie sind, wie ein Rake¬
tenschild oder andere Formen eines
Verteidigungsschildes. Verlegung von
Mitteln einer militärischen Sicherheits¬
politik hin zu einer nicht-militärischen
Sicherheitspolitik.
6. Beschränkung des Militärhaushalts.
Verabschiedung von der NATO Norm
von 2% des BSP für den Militärhaus¬
halt. Kein Geld für Krieg, sondern für
Soziale Notprojekte (Gesundheit, Bil¬
dung, Kampf gegen Armut ...)
7. Kontrolle und Einschränkung der
Waffenindustrie und des Waffenhan¬
dels, unter Anwendung einer brei¬
ten Interpretation der Definition von
„Waffensystem“ und auf Basis einer
restriktiven Anwendung der europäi¬
schen Minimalnorm.
8. Demokratische Kontrolle über die
Sicherheits- und Verteidigungpolitik.
Veröffentlichung aller militärischen
Absprachen, wie z.B. die über die Sta¬
tionierung von Atomwaffen.
9. Unser Land muss eine eigene Frie¬
densvision und Friedensstrategie ent¬
wickeln. Unser Land kann sich in
Friedens- und Entwaffnungsinitiati¬
ven profilieren, so wie Norwegen bei
der Schlichtung von Konflikten und
die Schweiz als Zwischenhändler zwi¬
schen Ländern ohne diplomatische Be¬
ziehungen oder in internationaler hu¬
manitärer Hilfe. Es gibt schon heute
vielfältige Möglichkeiten für die Kon¬
fliktprävention und den Friedensauf¬
bau: Verhandlungen, Vermittlung, Ein¬
satz von Wahrnehmern, Aufhalten von
Waffenlieferungen, humanitäre Opfer¬
hilfe usw. Regionale Konflikte werden
am besten regional gelöst, weit weg
von den Einflüssen und Interessen der
Großmächte.
10. Dauerhafter Frieden kann nur er¬
reicht werden durch die Beseitigung
von Armut und Unrecht, die histori¬
sche Ungerechtigkeit gegen Völker zu¬
rückzuschrauben und ihnen das Recht
zu erteilen, ihre eigene Entwicklung zu
beschreiten. Darum fordern wir eine
gerechte ökonomische Ordnung mit
ehrlichen Handelsverhältnissen. Wir
unterstützen den Kampf der Völker für
ihre nationalen, demokratischen und
sozialen Rechte, für Demokratie, sozi¬
alen Fortschritt, Frieden, ein gesundes
Klima in einer gesunden Umgebung
und Fortschritt.
Uli Brockmeyer (KPL):
Die Neuaufteilung der Welt
Die jüngsten Äußerungen führender
Politiker der Bundesrepublik zu mili¬
tärischen Einsätzen der Bundeswehr
im Ausland dürfen nicht isoliert von
den Entwicklungen der EU betrachtet
werden. Sie sind vielmehr konkreter
Ausdruck der Rolle der wirtschaftlich
stärksten Macht innerhalb des imperi¬
alistischen Staatenbündnisses Europä¬
ische Union, des Bündnisses, das sei¬
nen Anfang als Zollunion der Benelux-
Staaten nahm und spätestens mit der
Gründung der Europäischen Gemein¬
schaft für Kohle und Stahl, der Mon¬
tanunion, die Keimzelle für die heutige
EU wurde.
(...) Bereits die territorialen Erweite¬
rungen der EU nach der Zerschlagung
der sozialistischen Staaten Ost- und
Mitteleuropas standen im Zeichen des
Kampfes um die Aufteilung der Inte¬
ressensphären unter den führenden
kapitalistischen Gruppierungen. Aus¬
druck dieses Kampfes war auch das
Wechselspiel zwischen EU und NATO
bei der Osterweiterung. Wirtschaftliche
und politische Interessen standen stets
in einem untrennbaren Zusammen¬
hang mit der Frage der militärischen
Präsenz in den früheren sozialistischen
Staaten, mit der Einbindung von deren
Streitkräften in die westliche Militärpo¬
litik und der Ausdehnung der Grenzen
der NATO nach Osten. Dabei wurden
die Interessen der führenden Kreise
des Kapitalismus abwechselnd über die
NATO und die EU durchgesetzt. Al¬
lerdings stellte sich relativ früh heraus,
dass systemimmanente Widersprüche
zwischen Konzerninteressen der USA
und der westeuropäischen Staaten hin¬
ter den Kulissen durchaus eine Rolle
spielten. So haben zum Beispiel ein¬
flussreiche Kreise des deutschen Ka¬
pitals eine von den USA angestrebte
stärkere Anbindung der Ukraine an die
NATO blockiert, weil sie die Ukraine
mit ihren Ressourcen, ihrem riesigen
Markt und ihrer geostrategischen Lage
eher an die EU binden wollten.
Die verstärkte Militarisierung der EU
und die zunehmenden Einsätze von
Truppen aus EU-Ländern außerhalb
des Territoriums der EU zeigen, dass
die Gefahr wächst, dass die Herrschen¬
den - 100 Jahre nach dem Beginn des
Ersten Weltkrieges - erneut einen Aus¬
weg in Kriegen suchen.
Sogenannte Missionen der EU im Mit¬
telmeer, am Horn von Afrika und in
verschiedenen Ländern Afrikas haben
nicht zur Schaffung von Frieden beige¬
tragen, sondern weitere Konflikte ge¬
fördert oder provoziert. (...) Die Aus¬
beutung der Länder der „Dritten Welt“
wird verstärkt fortgesetzt. Während
sich die führenden Staaten der EU -
zunehmend mit Einsatz militärischer
Mittel - den ungehinderten Zugang
zu den natürlichen Ressourcen dieser
Länder sichern, werden gleichzeitig
Waren aus der EU dorthin exportiert,
die eine eigenständige wirtschaftliche
Entwicklung der Länder behindern
und allmählich eine wachsende Ver¬
armung der Bevölkerung der betrof¬
fenen Staaten verursachen. Die damit
verbundene politische und wirtschaft¬
liche Destabilisierung wird gleichzeitig
als Vorwand für militärisches Eingrei¬
fen genutzt.
Wie in der Zeit der Vorbereitungen
des Ersten Weltkrieges vor 100 Jahren
geht es auch heute um die Neuauftei¬
lung der Welt. Waren vor 100 Jahren
einige der kapitalistischen Industrie¬
staaten - allen voran das Deutsche Kai¬
serreich - bei der Aufteilung der über¬
seeischen Kolonien zu kurz gekommen
und sahen daher den einzig möglichen
Ausweg in einer Neuaufteilung mit
militärischen Mitteln, so geht es heute
um eine Neuordnung der neokoloni¬
alen Einflusssphären, die Ausbeutung
des schier unbegrenzten Potentials an
Arbeitskräften, die Beherrschung der
Märkte und nicht zuletzt um den un¬
gehinderten Zugang zu natürlichen
Ressourcen und die Absicherung der
Transportwege von Rohstoffen und
Waren. Dabei haben die verschiedenen
Mitgliedstaaten der EU und der NATO
durchaus unterschiedliche Interessen,
die sich zum Teil gegenseitig ergänzen
oder auch widersprechen. Im Unter¬
schied zur Situation vor 100 Jahren ist
die Gefahr eines Krieges zwischen den
imperialistischen Hauptmächten heu¬
te jedoch relativ gering, dafür wächst
die Gefahr von immer neuen größeren
und kleineren Kriegen der imperialis¬
tischen Hauptmächte in anderen Regi¬
onen der Welt. (...)
Hans-Peter Brenner:
Die Frage der „europäischen Integration“
und die Dialektik
... Ich halte einen weiteren Punkt für
besonders erwähnenswert, weil er mit
sehr aktuellen Debatten in der heuti¬
gen europäischen Linken verknüpft ist.
Dies ist die Diskussion über die „Verei¬
nigung Europas“ als eine weitere Ant¬
wort auf den Krieg. In der Resolution
der Berner Konferenz einiger Bolsche-
wiki von August 1914 wurde nicht nur
auf die konsequente revolutionäre und
antimilitaristische Propaganda zum
Sturz der bürgerlichen Regierungen
und Parteien in allen Ländern orien¬
tiert. Als zweite Aufgabe wurde außer¬
dem die Propaganda für die „deutsche,
die polnische, die russische usw. Repu¬
blik und zugleich für die Umwandlung
aller einzelnen Staaten Europas in repu¬
blikanische vereinigte Staaten von Eu¬
ropa“ genannt.
Bei der Überarbeitung dieser Resolu¬
tion, die Lenin als „etwas schwer (zu)
lesen“ eingestuft hatte, zu einem offizi¬
ellen „Manifest“ des ZK der Sozialde¬
mokratischen Arbeiterpartei Russlands
(SDAPR) wurde diese Orientierung
auf ein „Vereintes Europa“ nur vier
Wochen später zwar wiederholt, aber
zugleich auch mit Bedingungen verse¬
hen. Die Passage lautete nun:
„Die nächste politische Losung der eu¬
ropäischen Sozialdemokratie muss die
Gründung der republikanischen Staa¬
ten von Europa sein, wobei die Sozial¬
demokraten zum Unterschied von der
Bourgeoisie, die alles mögliche zu ver¬
sprechen 4 bereit ist, nur um das Prole¬
tariat in den allgemeinen Strom des
Chauvinismus hineinzureißen, die Ar¬
beiter darüber aufklären werden, dass
diese Losung durch und durch verlogen
und sinnlos ist, wenn die deutsche, die
österreichische und die russische Mon¬
archie nicht auf revolutionärem Wege
beseitigt werden.“ Auf einer Konferenz
der Auslandssektionen der SDAPR
Ende Februar/Anfang März 1915 wur¬
de dieses Manifest des Zentralkomitees
ausführlich weiter diskutiert.
Die Konferenz verabschiedete mehrere
Resolutionen über den Charakter des
Krieges, über die Losung der „Vater¬
landsverteidigung“, über die Losungen
der revolutionären Sozialdemokratie,
den Zusammenbruch der II. Internati¬
onale, die Gründung der III. Internatio¬
nale, etc. In einer kurzen Vorbemerkung
verwies Lenin darauf, dass auf dieser
Konferenz der Auslandssektionen „die
Diskussion über die Losung der gerei¬
nigten Staate von Europa 4 einseitig po¬
litischen Charakter annahm und dass
der Beschluss gefasst wurde, die Frage
bis zur Erörterung ihrer ökonomischen 4
Seite in der Presse zu vertagen.“
Im Juli 1915 veröffentlichte Lenin dann
seine berühmt gewordene Broschüre
Sozialismus und Krieg“. Darin vertei¬
digte er das Recht auch der kleinen Na¬
tionen auf nationale Selbstbestimmung.
Die internationale Bourgeoisie führe
diesen Krieg mit der lügnerischen Paro¬
le der „Völkerbefreiung“. „Die Englän¬
der versprechen Belgien, die Deutschen
Polen die Befreiung usw. In Wirklich¬
keit wird dieser Krieg ... von den Un¬
terdrückern der Mehrzahl der Nationen
der Welt geführt, um diese Unterdrü¬
ckung zu festigen und zu erweitern. Die
Sozialisten können ihr großes Ziel nicht
erreichen, ohne gegen jede Art von na¬
tionaler Unterdrückung zu kämpfen.
Sie müssen daher unbedingt fordern,
dass die sozialdemokratischen Partei¬
en der unterdrückenden Länder (insbe¬
sondere der ,Großmächte) das Selbst¬
bestimmungsrecht der unterdrückten
Nationen anerkennen und verfechten
und zwar ausdrücklich im politischen
Sinne des Wortes, d.h. als Recht auf po¬
litische Lostrennung ... 44
Ganz in diesem Sinne vertritt die DKP
in ihrem Programm zur Wahl des EU-
Parlament im kommenden Mai das
Recht der von der EU und der „Troi¬
ka“ ausgeplünderten kleineren und in
die Überschuldung gestürzten EU-
Mitgliedsländer auf Austritt aus die¬
ser Konstruktion des Imperialismus.
Diese EU ist nicht einmal ein traditio¬
neller Vielvölkerstaat, wie es zu Lenins
Zeiten das zaristische Russland war;
sondern ein von den europäischen -
darunter vor allem den deutschen
Großbanken und Großkonzernen -
dominiertes künstliches Produkt. Hier
gilt umso mehr das Recht auf Lostren¬
nung und Loslösung; von dem damals
bei Lenin die Rede war. (...)
(...) Hielt Lenin damals und hält die
DKP heute deshalb die Kleinstaaterei
für die Alternative? Gewiss nicht. Le¬
nin formulierte es so: „Die Verteidigung
dieses Rechts (auf Lostrennung) ist kei¬
neswegs ein Ansporn zur Bildung von
Kleinstaaten, sie führt im Gegenteil zu
weit freierer, furchtloserer und daher
breiterer und allgemeinerer Bildung
von Großstaaten und Staatenbünden,
die für die Masse von größerem Nutzen
sind und der ökonomischen Entwick¬
lung besser entsprechen.“ Und schlie߬
lich: „Die Idee der rechtlichen Abson¬
derung der Nationen voneinander (...)
ist eine reaktionäre Idee.“
Um dann den Gedankengang zu be¬
enden mit den Sätzen: „Der Imperi¬
alismus ist die Epoche der fortschrei¬
tenden Unterdrückung der Nationen
der ganzen Welt durch eine Hand¬
voll ,Groß 4 mächte, und darum ist der
Kampf für die internationale sozialisti¬
sche Revolution gegen den Imperialis¬
mus unmöglich ohne Anerkennung des
Selbstbestimmungsrechts der Nationen.
,Ein Volk, das andere unterdrückt, kann
sich nicht selbst emanzipieren. 4 (Marx
und Engels). Ein Proletariat, das sich
auch nur mit dem kleinsten Gewalt¬
akt seiner 4 Nation gegen andere Nati¬
onen abfindet, kann nicht sozialistisch
sein.“Wir sehen also, wie bei Lenin die
Frage der Dialektik von Nationalem
und Internationalem nicht in einem
„Entweder-Oder“ versandet, sondern
wie genau er zwischen den nationalem
Empfindungen und Interessen poli¬
tisch unterdrückter Völker und derje¬
nigen von Angehörigen unterdrücken¬
der Staaten unterscheidet. Das Recht
auf Loslösung und Lostrennung von
staatliche Großverbänden oder „Staa¬
tenbünden 44 - wie es heute die EU ist -
wird immer auch in Verbindung gesetzt
mit dem gemeinsamen übergeordneten
Interesse des internationalen Kampfs
gegen den Imperialismus.
Doch noch im selben Monat nimmt Le¬
nin in einem neuen Grundsatzartikel
mit dem Titel „Über die Losung der
Vereinigten Staaten von Europa“ die¬
sen Diskussionsfaden neu auf. Er knüpft
an der Diskussion auf der Auslandskon¬
ferenz der SDAPR vom März des Jahres
1915 an und stellt fest, dass die Debatte
um die Losung der „Vereinigten Staa¬
ten von Europa“ einen „einseitig poli¬
tischen Charakter“ angenommen habe.
Diese Losung sei im politischen Sinne
„völlig unanfechtbar“, wenn man sie in
den Zusammenhang mit dem Sturz der
drei reaktionärsten europäischen Mo¬
narchien stelle: dem wilhelminischen
Deutschland, dem habsburgischen Ös¬
terreich und dem zaristischen Russ¬
land. Doch es bleibe damit die „sehr
wichtige Frage nach dem ökonomi¬
schen Inhalt und Sinn dieser Losung“
bestehen. „Vom Standpunkt der öko¬
nomischen Bedingungen des Imperi¬
alismus, d.h. des Kapitalexports und
der Aufteilung der Welt durch die
„fortgeschrittenen“ und „zivilisierten“
Kolonialmächte, sind die Vereinigten
Staaten von Europa unter kapitalisti¬
schen Verhältnissen entweder unmög¬
lich oder reaktionär.“ Das ist auch der
leitende Gedanke unseres Wahlpro¬
gramms zur EU-Wahl: „NEIN zum
Europa der Banken und Konzerne!
JA zum Europa der Solidarität und
des Widerstands!
Auszüge aus den Referaten von Daniel
Bratanovic und Willi Hoffmeister erschei¬
nen in der nächsten Ausgabe der UZ
14 Freitag, 28. Februar 2014
unsere zeit m
Anzeigen
Wir trauern um unseren Freund, den Dokumentarfilmer
Manfred Vosz
4.10.1935-16.2. 2014
Andreas Achenbach, Marina Achenbach, Angela Antoni,
Ernst Antoni, Wolfgang Breuer, Stephan Brüggenthies -
Filmbüro NRW, Volker Donath, Thomas Frickel (AG Dok),
Uli Gellermann, Magdi Gohary, Almut Hielscher, Erwin Jeda-
mus, Till Kayser, Uta König, Rainer Korners, Hermann Kopp,
Emmi Menzel, Helmut Menzel, Rolf Neddermann, Erwin
Michelberger, Christel Priemer, Horst Schäfer, Ilse Schäfer,
Rosemarie Schatter, Gudrun Schellemann, Erasmus Schö-
fer, Fred Schmid, Sonja Schmid, Dietrich Schubert, Conrad
Schuhler, Peter Strutynski, Hannes Stütz, Dieter Süverkrüp,
Ingrid Süverkrüp, Ute Wagner-Oswald, Ingeborg Weber,
Tina Weber, Rodja Weigand
Wir nehmen Abschied von
Manfred Vosz,
unserem Gefährten, unserem Mann,
unserem Vater, unserem Opa.
Heidrun Lotz, Idania Vosz, Janosch Voss, Florian Voß,
Milla Voss, Lenny Voss, Phil Martini
Einladung
* Bildungskommission des Parteivorstandes
Samstag, 8. März 2014,11.00 Uhr
Hannover, Bezirksbüro der DKP Niedersachsen
Achtung, neue Adresse: Göttinger Straße 58,30449 Hannover
Es wird um Anmeldung gebeten:
dkp-pv@t-online.de
Deutitht Kammuniilliehe Partei
50 Jahre
Marxistische Blätter
Blick nach vom auf die Herausforderun¬
gen Robert Steigerwald'* Dass er das Wissen
trägt ... Warum man Aufklärung auch
heute nicht allein denken und aufschrei¬
ben, sondern organisieren muss Dietmar
DathA Doppelter Boden der Marx-Renais¬
sance Georg Fülberth* »Westlicher Marxis¬
mus« und »östlicher Marxismus« - Eine
unglückselige Spaltung Domenico Losurdo
★Aufgabe der Marxistinnen im Verteidi¬
gungskampf der Gewerkschaften Anne Rieger
Weitere Beiträge:
Was macht das revolutionäre Subjekt ohne Be¬
wusstsein? Na nix. Patrik Köbele* Marxismus für
die A-Klasse - zu Kontinuitäten und Diskontinu¬
itäten Manfred Sohn*Zur russischen Syrienpolitik
und den Gründen ihres Erfolgs im Herbst 2013
Willi Gerns*Wolfgang Abendroths Stellung in der
gegenwärtigen Demokratiedebatte Norman Paech
★ Neue Periode sozialer Unruhe - Zur Rolle
der neuen »lohnabhängigen Mittelklasse« Frank
Deppe*Grund zur Resignation? - Ein kurzer Blick
auf die Friedensbewegung Peter Strutynski u.v.a.
Einzelpreis 9,50 €
Jahresabo 48,00 €
ermäßigtes Abo 32,00 €
Neue
Impulse
Verlag
Hoffnungstraße 18
45127 Essen
Tel.:0201-24 86 482
Zum Internationalen Frauentag
Naturfreundinnen im Widerstand
gegen das Vergessen....
Johanna Kirchner Lore Wolf
(Sozialdemokratin) (Kommunistin)
Eine Spurensuche mit Texten und Gedichten,
zusammengestellt und vorgetragen von
Frankfurter NaturFreundinnen.
Musikalisch begleitet von der Band POLITOKK.
Freitag, 7 . März 2014 im Wiener Hof
Offenbach-Bieber, Langener Str. 23
Beginn 19.30 Uhr - Eintritt 8,-€
DKP Offenbach
Jung, weiblich, prekär - nicht mit uns!
Unter diesem Motto findet die diesjährige Veranstaltung zum
Internationalen Frauentag der DKP Baden-Württemberg,
des Waldheim Gaisburg und der SDAJ Baden-Württemberg statt.
Sonntag, den 9. Marz 2014 von 14 -17 Uhr Waldheim
Gaisburg, 70186 Stuttgart, Obere Neue Halde 1
Programm:
Beiträge zum Thema von
Christa Hourani (Betriebsrätin in einem Großbetrieb)
Monika Münch-Steinbuch (Ärztin), Genossin der SDAJ
Kulturprogramm:
gestaltet von der Songgruppe „Die Marbacher”
Am Cuba-Stand gibt es Getränke von der roten Insel, Kaffee,
Schokolade und vieles mehr
Bücherstand mit Frauenliteratur und aktuellen Titeln
Wahlhelferinnen gesucht!
Zur Absicherung unserer Kandidatur benötigen wir noch Unterstützung!
Unterschriften sammeln, Plakate aufhängen, Infostände machen und
Zeitungen stecken? Du kannst gar nicht genug davon bekommen und
möchtest nette Leute treffen?
Dann spende uns deine Zeit und wir machen es möglich! Ab sofort!
Bitte melden unter: dkp.essen@dkp-essen.de
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Tel.: 06249 - 4128, Fax.: 67263
Email: info@weingut-eicher.de
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große helle Zimmer,
viele gute Bücher,
Haus oder Häuschen;
Kinderparadies.
lll-ExOT F> auel '' a9
U jetzt »este" en -
Aus dem Inhalt: Nicht in un¬
serem Namen! Die Frauen
der großen Koalition stehen
für Krieg und Sozialabbau *
Kämpfen lohnt sich: Beispiel
Einzelhandel * Aufruf zum Os¬
termarsch * Frauen stehen
hinten an: Bei den Löhnen,
Renten und in der Ausbildung
* DKP-Kandidatur zur EU-Wahl
für Frauenrechte * Vier Kandi¬
datinnen stellen sich vor *
m
Wohnungs- und
mietenpolitische
Konferenz der DKP
Die wohnungs- und mietenpo¬
litische Konferenz der DKP soll
Theorie und Praxis verbinden, einen
Erfahrungsaustausch leisten und
so konkrete Hinweise erarbeiten,
die unmittelbar Anwendung vor Ort
finden können. In weiteren Schritten
soll daraus ein aktuelles wohnungs-
und mietenpolitisches Programm
der DKP entwickelt werden.
Tagungsbeitrag 10 Euro, ermäßigt
6 Euro. Um Anmeldung wird
gebeten: dkp.pv@t-online.de
Samstag 22. März 2014
10 bis 17 Uhr,
Frankfurt am Main, Haus Gallus,
Frankenallee 111, Seminarraum 3
DKP / Karl-Liebknecht-Schule
Am Stadtpark 68,51373 Leverkusen
Tel: 0214/45418, kls@karl-liebknecht-schule.org
www.karl-liebknecht-schule.org
Wochenendseminar Sa./So. 22723. März 2014
Klassenkampf, Partei, Demokratie und
Sozialismus (Teil 1)
Referenten: Hans-Peter Brenner, Jürgen Lloyd
„Ziel der DKP ist der Sozialismus/Kommunismus. Unter der
Voraussetzung des gesellschaftlichen Eigentums an den Pro¬
duktionsmitteln und der gesamtgesellschaftlichen Planung der
Produktion kann in einem längeren historischen Prozess eine
Ordnung menschlichen Zusammenlebens entstehen, »worin die
freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwick¬
lung aller ist«. (K. Marx / F. Engels: Manifest der Kommunistischen
Partei, 1848) Für dieses Ziel die Arbeiterklasse und die Mehrheit
der anderen Werktätigen zu gewinnen - darum geht es der DKP.“
(aus dem Programm der DKP)
Es gibt guten Grund, uns damit zu beschäftigen, was wir aus die¬
sem im Programm unserer Partei formulierten Anspruch für unse¬
re Politik folgern. Unser Seminar bietet Platz, die Grundlagen un¬
seres Politikverständnisses zu klären und die Diskussion darüber
gemeinsam mit anderen Genossinnen und Genossen zu führen.
Themen:
• Wissenschaftlicher und utopischer Sozialismus
• Der „subjektive Faktor“: Bewusstseinsentwicklung
und Ideologie
• Rolle und Charakter der Kommunistischen Partei
Für den 879. November ist ein Folgeseminar zu diesem Thema
geplant. Beide Seminare können aber auch separat besucht
werden.
Um rechtzeitige Anmeldung wird gebeten.
Die Anreise kann bereits Freitag zwischen 17 und 22 Uhr erfolgen.
Beginn Samstag 10.30 Uhr. Ende Sonntag gegen 14 Uhr.
Einladung
Nach dem zweiten Treffen von Mitgliedern der DKP und anderen Mar¬
xistinnen, die sich im Widerspruch zu den Beschlüssen des 20. Partei¬
tags der DKP sehen, lädt das Sekretariat des Parteivorstandes gemäß
des Beschlusses der 6. PV-Tagung (www.dkp-online.de/pv) die Mit¬
glieder der DKP, die daran teilgenommen haben, zu einer Aussprache
ein. Diese findet statt am
Sonntag, 6. April 2014 , 11.15 bis 15 Uhr,
Sitz des Parteivorstandes, Hoffnungstraße 18 , Essen
Das Anliegen ist es, laut Beschluss die vorhandenen Widersprüche
produktiv zu machen. Neben der notwendigen Debatte um die auf
den Treffen und in der Antwort des Parteivorstandes aufgeworfenen
Fragen (Strategische Orientierung der DKP, Rolle und Aufgaben der
Kommunistischen Partei, Organisationsprinzipien der DKP) ist die
wichtigste Zielstellung, zu einer gemeinsamen Umsetzung der Be¬
schlüsse zur Parteistärkung zu kommen.
Um Anmeldung wird gebeten: dkp.pv@t-online.de
Einladung
Kommission Betriebs- und Gewerkschaftspolitik
Sonntag, den 30. März 2014,11.00 bis 16.00 Uhr
Büro der DKP-Niedersachsen
Göttinger Straße 58 in Hannover
Als Tagesordnung ist vorgesehen:
1. Terminplanung der Kommission
2. Gewerkschaftspolitisches Forum am 03./04.05.2014,
Leverkusen, Inhalt und Ablauf
3. Zentrale Orientierungen: TTIP, Tarifeinheit, Normalarbeitsverhältnis
4. Konferenz zur Arbeitszeitverkürzung am 18.10.2014, Hannover
5. UZ-Pressefest
6. Verschiedenes
Um Anmeldung wird gebeten: dkp.pv@t-online.de
/MpSWfoM
ßHE@G®ME üfflfö
m unsere zeit
Pressefest / Leserbriefe / Termine / Impressum
Freitag, 28. Februar 2014
Starker Tobak
Betr.: Interview mit Gerd Kupfer,
UZ vom 21.2.2014
Als gelegentlicher Leser der UZ und
mit dem Mercedes-Werk in Bremen
Verbundener möchte ich mich zu dem
Interview mit Gerd Kupfer äußern. Vor¬
ab möchte ich aber erst einmal feststel¬
len, dass der Artikel auf der Hinter¬
grundseite Werkverträge das Thema
gut beleuchtet und auch gleichzeitig die
Meldung Hungerlohn am Fließband ei¬
gentlich erklären müsste. Hierbei han¬
delt es sich ja wohl eindeutig um einen
Werkvertrag. Die direkte Weisung von
Daimler Beschäftigten ist dann ein kla¬
rer Verstoß gegen das Arbeitnehmer¬
überlassungsgesetz, nicht aber das un¬
terschiedliche Entgelt. Hier sieht man,
dass Journalisten weit weg sind von der
Realität der Arbeitswelt und sich dann
leider von Konzernjuristen wie bei
Daimler sagen lassen müssen, dass sie
nicht unrecht gehandelt haben.
Fünf Jahre Gefängnis für alle, die mit
Leiharbeit zu tun haben. Das ist star¬
ker Tobak, aber Moralgelaber, würde
im Ernstfall dann ja auch Betriebsräte
und Gewerkschaften sowie Politiker
hinter Schloss und Riegel bringen. Hat
doch die Zukunftssicherungvereinba¬
rung bei Daimler eine Regelung vor
fast einem Jahrzehnt geschaffen, was
diese Form von Befristungen und Leih¬
arbeit mit acht Prozent begrenzt, wo der
Anteil dieser Beschäftigungsart in an¬
deren Betrieben weitaus höher lag und
hegt, z. B. bei BMW mit über 30 Prozent.
Solche (Daimler-) Vereinbarungen wa¬
ren die Grundlage für den Tarifvertrag
der IG Metall, Leiharbeit zu regulieren.
Von daher hat die IGM Bedeutendes
auf die Reihe bekommen.
Nach meiner Kenntnis hat es auch weit
über 500 Festeinstellungen nach 2010
bei Daimler gegeben, das müsste ein
Betriebsrat eigentlich wissen. Unstrit¬
tig ist, dass Leiharbeit, Befristung und
Werkverträge reguliert, eingeschränkt
und teuer gemacht werden, dass die
Unternehmen unter Druck geraten
und die Betroffenen bedeutend bes¬
sere Entgeltbedingungen bekommen
als die Stammbelegschaft. Auch eine
Diskussion des generellen Verbots ist
denkbar. Grundsätzlich bedarf es dazu
eines Ausbaus der betrieblichen Mitbe¬
stimmung, speziell zu Werkverträgen.
Heute weiß eher der Pförtner, wie vie¬
le Werkverträge auf dem Gelände sind,
als der Personalchef - geschweige denn
die Betriebsräte. Wenn Kollege Kupfer
Mitglied der IG Metall wäre, müsste er
das alles wissen. Alle dargestellten Ak¬
tionen sind doch sicherlich von den IG
Metall-Vertrauensleuten und -Betriebs¬
räten unterstützt und begleitet worden.
Warum muss man eigentlich immer sol¬
che Seitenhiebe wie IG Metall und BR
austeilen?
Mit kollegialen Grüßen
Karl- Heinz Trecker ; Bremen
Anmerkung der Redaktion: Gerd Kup¬
fer ist Mitglied und Vertrauensmann der
IG Metall
Der Platz der DKP
in der Gesellschaft
Betr. Zum Leserbrief von S. Kasse¬
baum, UZ vom 14.2.2014
„Wenn ... ein Sekretariatsmitglied sich
berufen fühlt, die Besonderheit und Au¬
tonomie der Kommunisten zu betonen“
so stellt es sich damit an die Seite ande¬
rer „Sektierer“: „In allen diesen Bewe¬
gungen heben (die Kommunisten) die
Eigentumsfrage ... als die Grundfrage
der Bewegung hervor.“ (Marx-Engels,
Manifest) K. ündet es folgerichtig, wenn
dann die „nicht-kommunistischen Mit¬
streiter ... mit der DKP ...kein Bünd¬
nis eingehen wollen.“ Damit verkennt
er aber das Wesen von Bündnissen: zu¬
sammen für gemeinsame Interessen
streiten, trotz Differenzen in anderen
Fragen.
Wenn mögliche Partner mit uns deshalb
kein Bündnis eingehen sollten, zeigt das
dann, dass ihnen ihre Vorbehalte wich¬
tiger sind als die Ziele des Bündnisses.
(Das habe ich selbst in Jahrzehnten al¬
lerdings nie erlebt, dass man mich als
Kommunisten von der Teilnahme am
Kampf für sozialen und demokrati¬
schen Fortschritt ausgeschlossen hätte.)
Also nur Mut! Nochmal das Manifest:
„Die Kommunisten verschmähen es,
ihre Ansichten und Absichten zu ver¬
heimlichen.“ Es würde auch nichts nüt¬
zen, wenn die Partner uns mitspielen
lassen, weil sie gar nicht merken, dass
wir Kommunisten sind.
Ich sehe auch keinen Grund, ange¬
sichts „unserer erdrückenden Erblast“
im Büßergewand daherzukommen. Zu
unserem Erbe gehören nicht nur Feh¬
ler, sondern auch großartige Leistun¬
gen, wie die Abschaffung von Ausbeu¬
tung und Arbeitslosigkeit; ebenso der
Kampf der KPD gegen die Nazis, vor
und nach der Machtübertragung bis
zum Schluss. Dazu gehört auch der we¬
sentliche Beitrag der Sowjetunion und
der Roten Armee zur Zerschlagung des
Faschismus. Auf ähnlich positive Seiten
in ihrem Erbe können sich nicht viele
berufen.
Fritz Dittmar, Hamburg
Wir bitten darum, uns kurze Leserzu¬
schriften zuzusenden. Sie sollten unter
der Länge von einer Spalte bleiben. Die
Redaktion behält sich außerdem vor,
Leserbriefe zu kürzen.
Die Redaktion
termine@unsere-zeit.de
FR ★ 28. FEB
SA ★ 8. MARZ
Berlin: Veranstaltung der DKP-Gruppe Trep¬
tow-Köpenick zum EU-Wahlkampf: „Wie
funktioniert das politische System der EU?
Welche Positionen hat die DKP zur EU?“ mit
Rainer Perschewski, Landesvorsitzender der
DKP Berlin. PRO, Kiefholzstraße 275,18.00
Uhr_
Barhöft: „Ja zum Europa der Solidarität und
des Widerstands gegen die EU!“ Bildungs¬
wochenende der DKP Mecklenburg-Vor¬
pommern mit den Kandidatinnen der DKP
für die EU-Wahl Olaf Harms, Tunia Erler und
Robert Kühne. Beginn: 31.2.2014, 18.00
Uhr, Ende: 2.3.2014,16.00 Uhr. Infos: www.
dkp-mv.de/bildung, Anmeldung: bildung@
dkp-mv.de.
MO ★ 3. MÄRZ
Hamburg: „Rechtspopulisten in der Euro-
päischen-Union - Alternativen für Europa?“
Berichte, Hintergründe und Diskussionen
auf dem Gruppenabend der DKP Langen¬
horn-Fuhlsbüttel. Bürgerhaus Langenhorn,
Tangstedter Landtraße 41,19.00 Uhr.
Ml ★ 5. MÄRZ
Braunschweig: „Gewerkschaftspolitik und
kommunistische Betriebspolitik-Anspruch
und Wirklichkeit!“ Diskussion der DKP mit
Detlef Fricke, Mitglied des Parteivorstandes
der DKP. Brunsviga, Raum G4, Karlstraße,
19.30 Uhr.
FR ★ 7. MÄRZ
Offenbach: „Naturfreundinnen im Wider¬
stand“ , Frauentagsveranstaltung der DKP.
Eine Spurensuche der Frankfurter Natur-
Freundinnen mit Texten und Gedichten,
musikalisch begleitet von der Band Politokk.
Wiener Hof, Langenerstraße 23,19.30 Uhr.
Eintritts Euro/erm. 5 Euro.
Düsseldorf-Gerresheim: „Der Kampf der
Frauen in Griechenland für die Stärkung des
Volksbündnisses, gegen die Monopole und
die EU“Frauentagsveranstaltung der DKP
mit Anna Grigoriadou, Vertreterin der KKE,
und dem Saz-Spieler und Sänger Ozan. „Zur
Isa“, Friedrich-Wilhelm-Straße 5,15.00 Uhr.
Hamburg: „Krieg schafft keinen Frieden.“
Frauentags-Veranstaltung der DKP Langen¬
horn-Fuhlsbüttel mit Friedensfrauen, Lesung
und Livemusik, Klönschnack bei Kaffee und
Kuchen und Roten Nelken. Grüner Saal“, Im
Grünen Grunde Id, 15.00 Uhr. Eintritt frei.
Hattingen: „Bertha von Suttner: Die Waffen
nieder! - Porträt einer Rebellin“, Veranstal¬
tung der DKP zum Internationalen Frauen¬
tag. Bürgertreff Blankenstein, Marktplatz
3-5,17.00 Uhr. Eine Kostenbeteiligung von
7 Euro ist, soweit möglich, erwünscht.
SO ★ 9. MÄRZ
Essen: „Trautes Heim - Glück allein?“ Bun¬
te Revue des DKP-Frauenarbeitskreises mit
Texten, Sketchen und Musik. Zeche Carl,
Wilhelm-Nieswand-Allee 100, 12.00 Uhr,
Einlass 11.30 Uhr. Eintritt 5 Euro/erm. 3
Euro.
Bremen: Veranstaltung der DKP Land Bre¬
men zum Internationalen Frauentag mit
Wera Richter, stellvertretende Vorsitzende
der DKP. Das Musiktheater TonArt spielt das
Programm „Radio Solidarität-Wir kommen
bei 90,4 auf den Punkt“ (mit großer Beset¬
zung). Nachbarschaftshaus Helene-Kaisen,
Beim Ohlenhof 10,15.00 Uhr.
DO ★13. MÄRZ
Essen: „Che Guevara: Mehr als ein T-Shirt-
Motiv“, Öffentliche Mitgliederversammlung
der Freundschaftsgesellschaft BRD-Kuba
e.V., Regionalgruppe Essen. Gaststätte Lin¬
ker, Oberdorfstraße 34,18.00 Uhr.
Der Pressefest-Buttonverkauf ist eine Erfolgsgeschichte
Die Hälfte der Zielstellung wurde bereits überschritten - aber das Ziel ist noch nicht erreicht
Fast 20 000 Euro wurden bisher beim
Parteivorstand der DKP für die Buttons
zur Vorfinanzierung unseres Pressefes¬
tes abgerechnet. 3 833 verkaufte But¬
tons stecken dahinter. Der Optimist
wird sich nun freuen: Über die Hälfte
des Ziels wurde gestemmt. Der Pessi¬
mist wird die noch fehlende Anzahl von
3 167 Stück anmahnen.
Wie auch immer: Die Aufgabe der Par¬
tei und der Freundinnen des Presse¬
festes liegt auch weiterhin darin, den
Butttonverkauf mit dem gleichen Elan
weiterzuführen, mit dem er begonnen
hat. Trotz des tollen Zwischenstandes
ist das Ziel noch nicht erreicht, das er¬
forderlich ist, das Pressefest finanziell
abzusichern. Und noch schöner ist der
Gedanke, das Ziel überzuerfüllen, das
gäbe gar noch ein Polster.
In der untenstehenden Tabelle ist - wie
es so schön heißt - nach bestem Wissen
und Gewissen der Stand der verkauften
Bezirk
Buttons
Baden-Württemberg
645
Berlin
401
Hamburg
280
Hessen
302
Nordbayern
243
Rheinland-Pfalz
57
Rheinland-Westfalen
568
Ruhr-Westfalen
591
Saarland
112
Schleswig-Holstein
45
neue Länder
60
nicht zuordbar
529
Summe
3 833
Buttons nach Bezirken aufgelistet. Zum
genauen Verständnis einige Sätze:
Es konnten nicht alle Zahlungseingän¬
ge genau zugeordnet werden: Immer¬
hin wurde die Summe von 2 645 Euro
in Teilbeträgen auf das Pressefestkonto
überwiesen. Und wenn dann beispiels¬
weise auf den Bankbelegen ausschlie߬
lich (die Banken übertragen nicht mehr
alle Zeilen bei Überweisungen) übrig
bleibt als Verwendungszweck „500
Euro für Pressefestbuttons“ mit dem
Absender „Deutsche Kommunistische
Partei“, wären schon mehr hellseheri¬
sche Fähigkeiten für die genaue Einord¬
nung erforderlich als die, über die der
Bundeskassierer ohnehin schon verfügt
und die überdies durch die materialisti¬
sche Weltanschauung auch nicht abge¬
deckt werden.
Langer Schreibe kurzer Sinn: Bieten wir
weiterhin bei jeder Gelegenheit unse¬
ren Freunden, Nachbarn, Kolleginnen
und allen, die wir sonst noch kennen,
unseren Soli-Button an. Das ist nicht
zuletzt auch Werbung, die richtig hilft!
Werner Sarbok
FR ★ 14. MÄRZ
Nördlingen: „Schwarzbuch Waffenhandel“,
Autorenlesung mit Jürgen Grässlin. Veran¬
staltung von DFG-VK in Zusammenarbeit
mit KPF im KV Donau-Ries/Dillingen. Roter
Löwe, Baidinger Straße 5,19.30 Uhr.
Schweinfurt: „Olga Benario - Ein Leben
für die Revolution“. Filmveranstaltung der
DKP. DFG-VK Büro, Gabelsbergerstraße 1,
19.00 Uhr.
SO ★ 16. MÄRZ
Frankfurt: „Ein (Frauen-)Leben in der kom¬
munistischen Bewegung“, Erzählcafe der
DKP zum Internationalen Frauentag. DGB-
Jugendclub, Wilhelm-Leuschner Straße/Un-
termainkai 68,14.00 Uhr.
Dl ★ 18. MÄRZ
Rostock: „Frauen als politische Gefange¬
ne“ , Roter Stammtisch der DKP Rostock.
Cafe Maya, Wismarsche Straße 21,19.00
Uhr.
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unsere zeit (UZ) - Zeitung der DKP
Herausgeber:
Parteivorstand der DKP
Erscheint wöchentlich
Redaktion:
Nina Hager (0201/1778-8914, Chefre¬
dakteurin, v.i.S.d.P.), Paul Kranefeld, Man¬
fred Idler, Werner Sarbok
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net sind, übernehmen allein die Autor/inn/en
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Manuskripte kann keine Haftung übernommen
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16 Freitag, 28. Februar 2014
Die letzte Seite
unsere zeit m
Meine progressive Woche
Vom 15. bis 21. Februar
Dienstag
Megan Rice (84) ist eine US-amerika¬
nische katholische Nonne. Sie hätte den
Friedensnobelpreis verdient oder richtiger
einen Preis, der das weltweite Renommee
verdient, dessen jener schon längst verlus-
tig gegangen ist.
Megan Rice ist vor anderthalb Jahren mit
zwei anderen Aktivistinnen auf das Ge¬
lände des Y-12 National Security Complex
vorgedrungen. Y12 ist „die“ kerntechni¬
sche Anlage in den USA und gesichert wie
sonst nur Fort Knox. Die drei protestier¬
ten dort gegen Atomwaffen und für welt¬
weiten Gewaltverzicht. Gleichzeitig wiesen
sie nach, wie „sicher “ solcherlei Anlagen
tatsächlich sind. Statt des Friedenspreises
erhielten sie und ihre Mitstreiterinnen nun
endgültig Gefängnisstrafen zwischen drei
und fünf Jahren.
Im Gerichtssaal begegneten sich Stolz und
Schande der USA Auge in Auge. Der eine
vor dem Richtertisch die andere dahinter.
Es wird Zeit, dass die Seiten gewechselt
werden. Das Spiel dauert schon allzu lang.
Donnerstag
775 Millionen Euro muss die Deutsche
Bank an die Erben des verblichenen
Medienunternehmers Leo Kirch zahlen.
Der Vergleich folgt einer jahrelangen Ge¬
richtsauseinandersetzung, in der Kirchs
Anwälte dem Geldinstitut vorgeworfen
hatten, es habe die Pleite des Unterneh¬
mers durch öffentliche Zweifel an seiner
Kreditwürdigkeit verursacht.
775 Millionen Euro. Dafür muss eine alte
Oma lange stricken. Für die Milliarden¬
jongleure des Global Players Deutsche
Bank ist das etwas, was sie aus Image-
Gründen öffentlich nie mehr in den Mund
nehmen werden: Peanuts.
Freitag
Kein Jahr ohne Diätenerhöhung. Von
2011 steigen die Einkünfte der Bundes¬
tagsabgeordneten von 7662 auf 9083
Euro. Endlich ist das Niveau der Bun¬
desrichter erreicht, von dem seit Jahren
die Rede ist. Danach sollen sich die Ab¬
geordneten nach dem heute beschlossenen
Gesetz an der allgemeinen Lohnentwick¬
lung orientieren.
Ein Hohn: Die Reallohnentwicklung ist
seit Jahrzehnten rückläufig, wenn man die
prekär Beschäftigten mitberücksichtigt -
und wie dürfte man die ausschließen. Im
Selbstbedienungsladen Bundestag sche¬
ren die Armen unserer Republik jedoch
keinen. 2015 wird es heißen: Wir richten
uns am Niveau der Besoldungsgruppe B
10 (z. B. Viersternegeneräle) aus: derzeit
11 380,93 Euro. (Es muss ja nicht immer
die dem Justizwesen vorbehaltene Besol¬
dungsgruppe R sein). Diese Diätenhöhe
wird dann 2019 erreicht. Danach kommt
dann B11 - z. B. Erzbischöfe. Danach ist
dann eigentlich Schluss. Aber es muss ja
nicht dabei bleiben, was Franz Münte¬
fering über seinen Job einst sagte: „nur
Papst ist schöner “
Adi Reiher
Die Milliardengewinne...
ung
Versichertennummer
SSI-ZERTIFIK/
pp gq:
Bundesamt für Sichertu
Tn der Informationstechi
... haben die Krise der Krankenkassen nur verdeckt. 3 500 Mitarbeiterinnen will die - nach Beitrag zahlenden - Mitglie¬
derstärkste Krankenkasse Barmer GEK entlassen. Die Kolleginnen und Kollegen sind „nur“ weitere Opfer der - gar nicht
so - schleichenden Zerschlagung des Gesundheitswesens. (Potentiell) betroffen sind alle beteiligten Gruppen, außer
einer-den Pharma-Konzernen.
Olympischer Glanz. Deutsches Elend
Eine Nachbetrachtung der XXII. Winterspiele von Klaus Huhn
D ie XXII. Olympischen Winter¬
spiele sind Geschichte und da
sie mit einem Debakel für die
Bundesrepublik geendet hatten, müht
man sich, sie so bald als möglich in
Vergessenheit geraten zu lassen. Um
das klarzustellen: Kommunisten gehö¬
ren nicht zu denen, die einen sechsten
Rang als Katastrophe betrachten. Wir
gehen davon aus, dass die Athleten sich
um Medaillen mühten, aber eben - oft
sogar hauchdünn - an jenen Plätzen
scheiterten, für die Medaillen vergeben
wurden. Der Autor verzichtet darauf,
die Tatsache zu kommentieren, dass
30 Medaillen für die bundesdeutsche
Mannschaft als „Ziel“ gesteckt worden
waren und erinnert höchstens daran,
dass seit fast drei Jahrzehnten darüber
geschwätzt und geschrieben wird, dass
die „unmenschliche g DDR ihre Ath¬
leten bestraften, wenn sie nicht mit der
vom Politbüro beschlossenen Zahl der
Medaillen wieder nach Hause gekom¬
men waren. Dass die BRD in Sotschi
zu den wenigen Mannschaften gehör¬
te, die eine Athletin durch Disqualifi¬
kation wegen Dopings verloren, soll in
diesem Zusammenhang auch erwähnt
werden. Kamen die Dopingtäter nicht
aus der DDR, weil sie Ärger oder so¬
gar die Stasi fürchten mussten, wenn
sie nicht die vorgeschriebenen Medail¬
len ablieferten? Ich habe keine Hem¬
mungen daran zu erinnern und andere
Kommunisten sollten solche Hemmun¬
gen auch nicht haben.
Der „Spiegel“ hatte in seiner online-
Ausgabe (22. 2. 14) hemmungslos den
Hammer geschwungen: „Absturz im
Medaillenspiegel, die Zielvorgaben
deutlich verfehlt: Die sportliche Bilanz
dieser Winterspiele ist aus deutscher
Sicht unbefriedigend. Die Spitzenfunk¬
tionäre des DOSB sind alarmiert - in
zahlreichen Disziplinen droht Deutsch¬
land, den Anschluss zu verlieren. Vor
diesen Olympischen Winterspielen von
Sotschi war sehr viel von Baustellen die
Rede gewesen. Es ging um die teilweise
skandalösen Bedingungen der Arbei¬
ter und um den Zeitdruck, mit dem die
Sportstätten aus dem Boden gestampft
werden mussten. Während der Wett¬
kämpfe ist eine neue Baustelle hinzu¬
gekommen: der deutsche Wintersport.
Nach einer desaströs verlaufenen
zweiten Wettkampfwoche muss die
Olympia-Bilanz des Deutschen Olym¬
pischen Sportbundes (DOSB) er¬
nüchternd ausfallen. ,Enttäuschend 4 ,
absolut unbefriedigend 4 ,,Rückschritt 4 -
wenn DOSB-Leistungssportdirektor
Bernhard Schwank am Ende dieser
Tage von Sotschi Sportart für Sport¬
art der Reihe nach durchgeht, werden
manchem Verbandsfunktionär die Oh¬
ren klingeln. Dabei hatte es zur Halb¬
zeit der Spiele noch so anders ausgese¬
hen. Deutschland hatte den Medaillen¬
spiegel über Tage deutlich angeführt,
Generaldirektor Michael Vesper
bekam von den Kollegen anderer Na¬
tionen täglich Glückwünsche übermit¬
telt, ,wo immer ich auch auftauchte 4
Vesper sprach bei der Zwischenbilanz
am vergangenen Samstag von Früh¬
lingsgefühlen, die er verspüre.
Eine Woche später dürfte er in der
Herbstdepression angekommen sein.
,Ich komme mir vor wie nach einem
Fußballspiel, wo man zur Pause 4:0
führt, und am Ende steht es 4:4 4 , sagte
er. Solche Fu߬
ballspiele soll
es geben.“ Fügt
der UZ-Kom-
mentator hinzu:
Niemand soll
sich wundern,
solche Spie¬
le hat er auch
schon erlebt!
Bliebe noch
der üble Gag,
den sich „Bild“
leistete. Das Revolverblatt druckte
eine Tabelle. Titel „Ewiger Medaillen¬
spiegel“ und fügte zur Erklärung hin¬
zu: „Die Liste der 20 medaillenträch¬
tigsten Nationen bei den Winterspie¬
len (seit 1924)“. In Sotschi fanden die
XXII. Winterspiele statt. Deutsche nah¬
men an 20 teil, denn 1924 - sechs Jahre
nach Ende des Ersten Weltkriegs - und
1948 - drei Jahre nach Ende des Zwei¬
ten Weltkriegs - hatte das IOC sie für
nicht olympiawürdig befunden. Von
1949 bis 1990 existierte bekanntlich
die DDR als zweiter deutscher Staat.
Das Internationale Olympische Komi¬
tee erkannte es als Nation an, nahm
demzufolge das Nationale Olympische
Komitee der DDR in seinen Kreis auf
und ließ ab 1956 deren Aktive bei den
Winterspielen starten, erst in einer so¬
genannten gemeinsamen Mannschaft
mit der Bundesrepublik und ab 1965
mit einer eigenen Mannschaft. „Bild“
ignorierte diese Tatsachen und präsen¬
tierte ihren Lesern eine „ewige“ Tabel¬
le, die „Deutschland“ mit 129 Goldme¬
daillen an der Spitze sah.
Da die DDR von allen soliden Olym¬
pia-Historikern akzeptiert wurde, er¬
gab sich tatsächlich eine etwas andere
Tabelle, der man allerdings nicht ent¬
nehmen kann, dass „Deutschland“ an
20 Winterspielen - also an 90 Prozent
der Winterspiele teilgenommen hat¬
te, während die DDR nur an 40 Pro¬
zent der Spiele teilgenommen hatte,
aber dabei ein Drittel aller Goldme¬
daillen erkämpft hatte. Das errechnete
ich nicht, um „Hurra DDR!“ zu jubeln
oder „Zurück zur DDR“ zu schreiben,
sondern einzig und allein, um die Ge¬
schichte der Olympischen Spiele zu¬
rechtzurücken und das auch im Inter¬
esse der Athleten, die die Medaillen
mühsam erkämpft haben und in der
DDR gefeiert wurden. Und so sähe die
realistische Tabelle aus:
Bliebe noch ei¬
niges zu jener
unseligen Het¬
ze zu sagen, die
monatelang vor
Sotschi gegen
die Gastgeber
dieser Spiele in¬
szeniert worden
war. Lassen wir
es die Nachrich¬
tenagentur dpa
sagen: „Gegner
belächelten die ersten Olympia-Win¬
terspiele unter Palmen lange als eine
sündhaft teure Laune von Kremlchef
Wladimir Putin - doch nun lacht der
61-jährige wieder einmal zuletzt.
Nicht nur übertraf Sotschi 2014 Russ¬
lands bestes Edelmetall-Ergebnis bei
Winterspielen überhaupt. Dass das
Riesenreich Sieger im Medaillenspiegel
wurde, malten sich manche in Moskau
nicht in ihren kühnsten Träumen aus.
Auch in puncto Sicherheit glänzte Pu¬
tin. Auch wegen Menschenrechtsfragen
waren die Spiele so politisch wie selten.
Immer wieder mussten sich die Gastge¬
ber Kritik gefallen lassen, sie missach¬
teten die Rechte etwa von Homosexu¬
ellen, den Umweltschutz oder den An¬
spruch von Gastarbeitern auf Lohn für
den Bau der teuren Olympia-Anlagen.
Das Internationale Olympische Komi¬
tee (IOC) - allen voran der Deutsche
Thomas Bach als Präsident - standen
allerdings fest an der Seite Putins, der
immer wieder davor warnte, Politik und
Sport zu vermischen.
Vor dem Hintergrund des überschwäng¬
lichen IOC-Lobs für eine reibungslose
Gesamtorganisation, die nicht einmal
die sonst üblichen täglichen Lagebe¬
sprechungen nötig machten, hielten
die Russen auch Rekordausgaben von
37,5 Milliarden Euro für gerechtfertigt.
Auch die Ehrentribüne der Winterspie¬
le war rappelvoll. Dass weder der deut¬
sche Bundespräsident noch die Kanz¬
lerin dort anzutreffen waren, ließ nur
wenige staunen.
Einer der erfreulicheren Momente des deutschen Auftretens in Sotschi: Skisprin¬
gerin Carina Vogt gewinnt das erste Skispringen der Frauen in der Olympiage¬
schichte.
Der rote Kanal
Zirkus in der DDR, D 2009
Der Staatszirkus der DDR war Welt¬
spitze und die Menschen liebten ihn.
In den 30 Jahren seines Bestehens ka¬
men 60 Millionen Zuschauer.
Di., 4.3., 20.15-21.00 Uhr, rbb
Chruschtschows Reise
durch die USA, F 2012
Mitten im Kalten Krieg und nach
zehn Jahren ständig geschürter Angst
vor den Kommunisten besuchte der
sowjetische Führer die USA. Bald
wich die Angst der Neugier, die sich
in einer zwölf Tage währenden me¬
dialen Hyperaktivität niederschlug.
Während dieser Tage konnten Chru¬
schtschows Auftritte in allen Details
am Bildschirm und vor dem Radio
mitverfolgt werden: es war das erste
Großereignis der Fernsehgeschichte.
Chruschtschow gelang es mehr und
mehr, die Amerikaner für sich einzu¬
nehmen.
Di., 4.3., 22.00-23.05 Uhr, arte
Die Welt nach Fukushima, F 2013
Fukushima ist nach Tschernobyl das
zweite Symbol für den atomaren Su-
per-GAU. Infolge eines Tsunamis
war es im März 2011 zu einer Ha¬
varie im Atomkraftwerk von Fuku¬
shima gekommen. Der Dokumen¬
tarfilm hinterfragt die Nutzung von
Kernenergie im Allgemeinen und
fragt, ob das Restrisiko beherrsch¬
bar ist.
Frei., 7.3., 22.25-23.45 Uhr, arte
Meine Tante aus Fukushima,
D/Jp 2013
Die junge Filmemacherin Kyoko Mi-
yake verlässt ihre neue Heimat Lon¬
don, um im entfernten Japan ihre Tan¬
te zu besuchen, deren Leben durch die
Fukushima-Katastrophe völlig aus der
Bahn geworfen wurde. Entgegen al¬
ler Prognosen hofft die alte Dame auf
einen baldigen Neuanfang in ihrem
zerstörten Heimatort Namie, der zur
Präfektur Fukushima gehört. Doch
dann erklärt die Regierung die Stadt
aufgrund der hohen Strahlungswerte
endgültig zur Sperrzone. Das sehr per¬
sönliche Portrait gewährt Einblicke in
eine traumatisierte Gesellschaft, die
sich zwischen Hoffnung und Depres¬
sion bewegt.
Do., 6.3., 23.15-0.30 Uhr, wdr
Ewiger Medaillenspiegel (korrekt)
Land
Gold
Silber
Bronze
1. SU/GUS/Russl.
124
92
93
2. Norwegen
107
108
91
3. USA
87
96
72
4. Deutschi. BRD
86
91
65
5. Österreich
55
58
72
6. Kanada
53
46
48
7. Schweden
51
35
49
8. DDR
43
39
36